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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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hat auch zur lehrenden Sprache der Welt-
weisheit unter allen Sprachen, die ich kenne,
vielleicht die größten Anrechte, wegen ihrer
Kürze, und des Nachdrucks in den philosophi-
schen Kunstwörtern, über die man nur sehr
langweilig spottet: sie ist lange im Besitz die-
ser Vorzüge: in ihr hat man die besten
Schriften dieser Art, und sie ist dieses philo-
sophischen Ranges doch immer ungleich wür-
diger, als die französische, die jetzt neben ihr
um den monarchischen Zepter der Litteratur
buhlet.

Aber diese lange Regierung hat ihr eben
eine Macht über das Jnnere der Litteratur
gegeben, die dieser vielleicht nachtheilig ist.
Jch führe einige Beyspiele, und lasse einen je-
den mehr suchen. -- Jn der Schuloratorie
und Schullogik bestand bei vielen Schulen
ein Theil der Weisheit darinn, wie man eini-
ge rhetorische und logische Kunstgriffe, Werk-
zeuge und Spielwerke Lateinisch benennen
sollte, und diese Terminologie verschlingt
man oft so begierig, als jener Kranke, nach
Hudibras Ausdruck das Recept, statt der dar-
auf geschriebenen Pillen. Dies bringt jene

dürre

hat auch zur lehrenden Sprache der Welt-
weisheit unter allen Sprachen, die ich kenne,
vielleicht die groͤßten Anrechte, wegen ihrer
Kuͤrze, und des Nachdrucks in den philoſophi-
ſchen Kunſtwoͤrtern, uͤber die man nur ſehr
langweilig ſpottet: ſie iſt lange im Beſitz die-
ſer Vorzuͤge: in ihr hat man die beſten
Schriften dieſer Art, und ſie iſt dieſes philo-
ſophiſchen Ranges doch immer ungleich wuͤr-
diger, als die franzoͤſiſche, die jetzt neben ihr
um den monarchiſchen Zepter der Litteratur
buhlet.

Aber dieſe lange Regierung hat ihr eben
eine Macht uͤber das Jnnere der Litteratur
gegeben, die dieſer vielleicht nachtheilig iſt.
Jch fuͤhre einige Beyſpiele, und laſſe einen je-
den mehr ſuchen. — Jn der Schuloratorie
und Schullogik beſtand bei vielen Schulen
ein Theil der Weisheit darinn, wie man eini-
ge rhetoriſche und logiſche Kunſtgriffe, Werk-
zeuge und Spielwerke Lateiniſch benennen
ſollte, und dieſe Terminologie verſchlingt
man oft ſo begierig, als jener Kranke, nach
Hudibras Ausdruck das Recept, ſtatt der dar-
auf geſchriebenen Pillen. Dies bringt jene

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[47/0055] hat auch zur lehrenden Sprache der Welt- weisheit unter allen Sprachen, die ich kenne, vielleicht die groͤßten Anrechte, wegen ihrer Kuͤrze, und des Nachdrucks in den philoſophi- ſchen Kunſtwoͤrtern, uͤber die man nur ſehr langweilig ſpottet: ſie iſt lange im Beſitz die- ſer Vorzuͤge: in ihr hat man die beſten Schriften dieſer Art, und ſie iſt dieſes philo- ſophiſchen Ranges doch immer ungleich wuͤr- diger, als die franzoͤſiſche, die jetzt neben ihr um den monarchiſchen Zepter der Litteratur buhlet. Aber dieſe lange Regierung hat ihr eben eine Macht uͤber das Jnnere der Litteratur gegeben, die dieſer vielleicht nachtheilig iſt. Jch fuͤhre einige Beyſpiele, und laſſe einen je- den mehr ſuchen. — Jn der Schuloratorie und Schullogik beſtand bei vielen Schulen ein Theil der Weisheit darinn, wie man eini- ge rhetoriſche und logiſche Kunſtgriffe, Werk- zeuge und Spielwerke Lateiniſch benennen ſollte, und dieſe Terminologie verſchlingt man oft ſo begierig, als jener Kranke, nach Hudibras Ausdruck das Recept, ſtatt der dar- auf geſchriebenen Pillen. Dies bringt jene duͤrre

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/55>, abgerufen am 21.11.2024.