Art für K. als einen Dichter der Religion, und für jeden sympathetischen Leser.
Und kann K. nun nicht in einen Enthusias- mus gerathen, wo ihm schwer wird, was er denkt, durch Worte auszudrücken, wo die Sprache für ihn zu schwache, zu wenige Wor- te hat --? Allerdings! und wo bleibt nun die an sich wahre Anmerkung des Recens.: "Ja! das kömmt daher, daß du nicht deut- lich denkest." Jn dieser poetischen Begei- sterung konnte, und dorfte, und mußte ich auch nicht blos deutlich denken, sonst wäre ich ein elender Tropf geworden. Wo bleibt der Machtspruch: "daß die Sprache alle Nuancen der Empfindung sollte ausdrücken können: das ist eben so unmöglich, als es unnöthig seyn würde." Unmöglich? das wollte ich fast sagen: denn wer je etwas von der Begeisterung geschmeckt, da unsre Ein- bildungskraft ringet, um Bilder und Empfin- dungen, ungesagte Bilder, und wahre, mäch- tige, lebhafte Empfindungen auszudrücken, der wird die süße Mühe, die freudenvolle Geburtsschmerzen kennen, in denen ein Kind
des
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Art fuͤr K. als einen Dichter der Religion, und fuͤr jeden ſympathetiſchen Leſer.
Und kann K. nun nicht in einen Enthuſiaſ- mus gerathen, wo ihm ſchwer wird, was er denkt, durch Worte auszudruͤcken, wo die Sprache fuͤr ihn zu ſchwache, zu wenige Wor- te hat —? Allerdings! und wo bleibt nun die an ſich wahre Anmerkung des Recenſ.: „Ja! das koͤmmt daher, daß du nicht deut- lich denkeſt.„ Jn dieſer poetiſchen Begei- ſterung konnte, und dorfte, und mußte ich auch nicht blos deutlich denken, ſonſt waͤre ich ein elender Tropf geworden. Wo bleibt der Machtſpruch: „daß die Sprache alle Nuancen der Empfindung ſollte ausdruͤcken koͤnnen: das iſt eben ſo unmoͤglich, als es unnoͤthig ſeyn wuͤrde.„ Unmoͤglich? das wollte ich faſt ſagen: denn wer je etwas von der Begeiſterung geſchmeckt, da unſre Ein- bildungskraft ringet, um Bilder und Empfin- dungen, ungeſagte Bilder, und wahre, maͤch- tige, lebhafte Empfindungen auszudruͤcken, der wird die ſuͤße Muͤhe, die freudenvolle Geburtsſchmerzen kennen, in denen ein Kind
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Art fuͤr K. als einen Dichter der Religion,
und fuͤr jeden ſympathetiſchen Leſer.
Und kann K. nun nicht in einen Enthuſiaſ-
mus gerathen, wo ihm ſchwer wird, was er
denkt, durch Worte auszudruͤcken, wo die
Sprache fuͤr ihn zu ſchwache, zu wenige Wor-
te hat —? Allerdings! und wo bleibt nun
die an ſich wahre Anmerkung des Recenſ.:
„Ja! das koͤmmt daher, daß du nicht deut-
lich denkeſt.„ Jn dieſer poetiſchen Begei-
ſterung konnte, und dorfte, und mußte ich
auch nicht blos deutlich denken, ſonſt waͤre
ich ein elender Tropf geworden. Wo bleibt
der Machtſpruch: „daß die Sprache alle
Nuancen der Empfindung ſollte ausdruͤcken
koͤnnen: das iſt eben ſo unmoͤglich, als es
unnoͤthig ſeyn wuͤrde.„ Unmoͤglich? das
wollte ich faſt ſagen: denn wer je etwas von
der Begeiſterung geſchmeckt, da unſre Ein-
bildungskraft ringet, um Bilder und Empfin-
dungen, ungeſagte Bilder, und wahre, maͤch-
tige, lebhafte Empfindungen auszudruͤcken,
der wird die ſuͤße Muͤhe, die freudenvolle
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/319>, abgerufen am 16.02.2025.
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