mosthenes seinen, welcher doch jenen in vie- len Stücken übertraf, was insonderheit die Redekunst anlanget. Allein, ich kann nicht sehen, wie die Kunst, die Affekten zu erregen, von großem Nutzen seyn könne, wenn man die Christen unterrichtet, wie sie ihren Wan- del gebührend anzustellen haben, wenigstens in unsern nördlichen Climatibus, wo ich ge- wiß versichert bin, daß auch die größeste Beredsamkeit von dieser Art wenig Eindruck in unsre Gemüther haben wird, ja nicht ein- mal so viel, daß die Wirkung davon sich nur bis auf den andern Morgen erstreckte. Jch glaube gewiß, daß die Prediger, welche in lauter Epiphonematibus predigen, wenn sie sich umsehen, einen großen Theil ihrer Zu- hörer in der Unachtsamkeit, und einen großen Theil schlafend finden werden. Und es ist auch kein Wunder, daß ein solches Mittel nicht allemal anschlägt, massen es so viel Kunst und Geschicklichkeit erfodert, wenn man es darinn zu einiger Vollkommenheit bringen will, als mancher nicht im Cicero findet, geschweige aus ihm lernet.
Drit-
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moſthenes ſeinen, welcher doch jenen in vie- len Stuͤcken uͤbertraf, was inſonderheit die Redekunſt anlanget. Allein, ich kann nicht ſehen, wie die Kunſt, die Affekten zu erregen, von großem Nutzen ſeyn koͤnne, wenn man die Chriſten unterrichtet, wie ſie ihren Wan- del gebuͤhrend anzuſtellen haben, wenigſtens in unſern noͤrdlichen Climatibus, wo ich ge- wiß verſichert bin, daß auch die groͤßeſte Beredſamkeit von dieſer Art wenig Eindruck in unſre Gemuͤther haben wird, ja nicht ein- mal ſo viel, daß die Wirkung davon ſich nur bis auf den andern Morgen erſtreckte. Jch glaube gewiß, daß die Prediger, welche in lauter Epiphonematibus predigen, wenn ſie ſich umſehen, einen großen Theil ihrer Zu- hoͤrer in der Unachtſamkeit, und einen großen Theil ſchlafend finden werden. Und es iſt auch kein Wunder, daß ein ſolches Mittel nicht allemal anſchlaͤgt, maſſen es ſo viel Kunſt und Geſchicklichkeit erfodert, wenn man es darinn zu einiger Vollkommenheit bringen will, als mancher nicht im Cicero findet, geſchweige aus ihm lernet.
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moſthenes ſeinen, welcher doch jenen in vie-
len Stuͤcken uͤbertraf, was inſonderheit die
Redekunſt anlanget. Allein, ich kann nicht
ſehen, wie die Kunſt, die Affekten zu erregen,
von großem Nutzen ſeyn koͤnne, wenn man
die Chriſten unterrichtet, wie ſie ihren Wan-
del gebuͤhrend anzuſtellen haben, wenigſtens
in unſern noͤrdlichen Climatibus, wo ich ge-
wiß verſichert bin, daß auch die groͤßeſte
Beredſamkeit von dieſer Art wenig Eindruck
in unſre Gemuͤther haben wird, ja nicht ein-
mal ſo viel, daß die Wirkung davon ſich nur
bis auf den andern Morgen erſtreckte. Jch
glaube gewiß, daß die Prediger, welche in
lauter Epiphonematibus predigen, wenn ſie
ſich umſehen, einen großen Theil ihrer Zu-
hoͤrer in der Unachtſamkeit, und einen großen
Theil ſchlafend finden werden. Und es iſt
auch kein Wunder, daß ein ſolches Mittel
nicht allemal anſchlaͤgt, maſſen es ſo viel Kunſt
und Geſchicklichkeit erfodert, wenn man es
darinn zu einiger Vollkommenheit bringen
will, als mancher nicht im Cicero findet,
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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