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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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"kömmt ihm darauf an, daß eine gewisse
"Denkungsart und Gesinnung bei dem Men-
"schen auf immer das regierende Principium
"seiner Handlungen und seines Lebens werde:
"und das ist nicht das Werk einer bloßen
"Rührung. Es gehören klare und gewisse
"Erkenntnisse dazu, die in den stillen Stun-
"den des Nachdenkens eine jede Prüfung aus-
"halten. Dieses Licht aber entsteht nicht
"aus der Hizze der Gemüthsbewegungen, son-
"dern erfodert eine kältere Ueberzeugung."
Dies sind Worte eines Gottesgelehrten, der
selbst ein Kanzelredner ist *.

Noch ein andres Zeugniß **, über eine
Sache, von der ich gern andre reden lasse:
Die Kunst, die Affekten zu erregen, ist bei
den Gottesgelehrten so wohl, als bei den fa-
natischen und enthusiastischen Predigern, in
großer Hochachtung, und man wendet vielen
Fleiß darauf.

Die zwei großen Redner in Griechenland
und Rom, Demosthenes und Cicero, beide

Dema-
* s. Spaldings Werth der Gefühle p. 195. 196.
** Litt. Br. Th. 1. p. 70. aus den moral.
Beobacht.
und Urtheilen. Zürich 1757.
S 4

„koͤmmt ihm darauf an, daß eine gewiſſe
„Denkungsart und Geſinnung bei dem Men-
„ſchen auf immer das regierende Principium
„ſeiner Handlungen und ſeines Lebens werde:
„und das iſt nicht das Werk einer bloßen
„Ruͤhrung. Es gehoͤren klare und gewiſſe
„Erkenntniſſe dazu, die in den ſtillen Stun-
„den des Nachdenkens eine jede Pruͤfung aus-
„halten. Dieſes Licht aber entſteht nicht
„aus der Hizze der Gemuͤthsbewegungen, ſon-
„dern erfodert eine kaͤltere Ueberzeugung.„
Dies ſind Worte eines Gottesgelehrten, der
ſelbſt ein Kanzelredner iſt *.

Noch ein andres Zeugniß **, uͤber eine
Sache, von der ich gern andre reden laſſe:
Die Kunſt, die Affekten zu erregen, iſt bei
den Gottesgelehrten ſo wohl, als bei den fa-
natiſchen und enthuſiaſtiſchen Predigern, in
großer Hochachtung, und man wendet vielen
Fleiß darauf.

Die zwei großen Redner in Griechenland
und Rom, Demoſthenes und Cicero, beide

Dema-
* ſ. Spaldings Werth der Gefuͤhle p. 195. 196.
** Litt. Br. Th. 1. p. 70. aus den moral.
Beobacht.
und Urtheilen. Zuͤrich 1757.
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[279/0287] „koͤmmt ihm darauf an, daß eine gewiſſe „Denkungsart und Geſinnung bei dem Men- „ſchen auf immer das regierende Principium „ſeiner Handlungen und ſeines Lebens werde: „und das iſt nicht das Werk einer bloßen „Ruͤhrung. Es gehoͤren klare und gewiſſe „Erkenntniſſe dazu, die in den ſtillen Stun- „den des Nachdenkens eine jede Pruͤfung aus- „halten. Dieſes Licht aber entſteht nicht „aus der Hizze der Gemuͤthsbewegungen, ſon- „dern erfodert eine kaͤltere Ueberzeugung.„ Dies ſind Worte eines Gottesgelehrten, der ſelbſt ein Kanzelredner iſt *. Noch ein andres Zeugniß **, uͤber eine Sache, von der ich gern andre reden laſſe: Die Kunſt, die Affekten zu erregen, iſt bei den Gottesgelehrten ſo wohl, als bei den fa- natiſchen und enthuſiaſtiſchen Predigern, in großer Hochachtung, und man wendet vielen Fleiß darauf. Die zwei großen Redner in Griechenland und Rom, Demoſthenes und Cicero, beide Dema- * ſ. Spaldings Werth der Gefuͤhle p. 195. 196. ** Litt. Br. Th. 1. p. 70. aus den moral. Beobacht. und Urtheilen. Zuͤrich 1757. S 4

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/287>, abgerufen am 22.11.2024.