nes Beweises. Ein Muster der Nachahmung hierinn ist der Klopstockische Psalm auf den König von Dännemark. Wirklich die Hebräi- sche Zerstückung der Sprache, und doch die Griechische Zusammensezzung der Bilder; hie und da kleine Wasserfälle; doch aber bleibts immer ein sanfter Strom, der über klare Steine rollet. Ein Gemälde, ein Wort ent- wickelt sich aus dem andern, und macht es vollkommner; -- Vielleicht Klopstocks schäz- barstes Lyrisches Stück! Eben so weiß er, in seinen Kirchenliedern oft den Orientalischen Parenthyrsus zu Kirchencadenzen herunter zu stimmen, und im Meßias ist sein Wechselge- sang zwischen Mirjam und Debora schön; Orientalisch in Sprache und Bildern; und Deutsch in der Anordnung derselben.
Man erinnere sich aus meinem vorigen Fragmente, daß der Reichthum einer Spra- che sich gleichsam mit der Haushaltung der Menschen verändere, daß uns unser Wohl- [stand] viele Freiheiten entzogen, die jene ge- [nossen]; daß unser Stadtleben es nothwendig verhindert, daß unsre Poesie nicht Botanisch seyn kann, wie Michaelis die Morgenländische
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nes Beweiſes. Ein Muſter der Nachahmung hierinn iſt der Klopſtockiſche Pſalm auf den Koͤnig von Daͤnnemark. Wirklich die Hebraͤi- ſche Zerſtuͤckung der Sprache, und doch die Griechiſche Zuſammenſezzung der Bilder; hie und da kleine Waſſerfaͤlle; doch aber bleibts immer ein ſanfter Strom, der uͤber klare Steine rollet. Ein Gemaͤlde, ein Wort ent- wickelt ſich aus dem andern, und macht es vollkommner; — Vielleicht Klopſtocks ſchaͤz- barſtes Lyriſches Stuͤck! Eben ſo weiß er, in ſeinen Kirchenliedern oft den Orientaliſchen Parenthyrſus zu Kirchencadenzen herunter zu ſtimmen, und im Meßias iſt ſein Wechſelge- ſang zwiſchen Mirjam und Debora ſchoͤn; Orientaliſch in Sprache und Bildern; und Deutſch in der Anordnung derſelben.
Man erinnere ſich aus meinem vorigen Fragmente, daß der Reichthum einer Spra- che ſich gleichſam mit der Haushaltung der Menſchen veraͤndere, daß uns unſer Wohl- [ſtand] viele Freiheiten entzogen, die jene ge- [noſſen]; daß unſer Stadtleben es nothwendig verhindert, daß unſre Poeſie nicht Botaniſch ſeyn kann, wie Michaelis die Morgenlaͤndiſche
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nes Beweiſes. Ein Muſter der Nachahmung
hierinn iſt der Klopſtockiſche Pſalm auf den
Koͤnig von Daͤnnemark. Wirklich die Hebraͤi-
ſche Zerſtuͤckung der Sprache, und doch die
Griechiſche Zuſammenſezzung der Bilder; hie
und da kleine Waſſerfaͤlle; doch aber bleibts
immer ein ſanfter Strom, der uͤber klare
Steine rollet. Ein Gemaͤlde, ein Wort ent-
wickelt ſich aus dem andern, und macht es
vollkommner; — Vielleicht Klopſtocks ſchaͤz-
barſtes Lyriſches Stuͤck! Eben ſo weiß er,
in ſeinen Kirchenliedern oft den Orientaliſchen
Parenthyrſus zu Kirchencadenzen herunter zu
ſtimmen, und im Meßias iſt ſein Wechſelge-
ſang zwiſchen Mirjam und Debora ſchoͤn;
Orientaliſch in Sprache und Bildern; und
Deutſch in der Anordnung derſelben.
Man erinnere ſich aus meinem vorigen
Fragmente, daß der Reichthum einer Spra-
che ſich gleichſam mit der Haushaltung der
Menſchen veraͤndere, daß uns unſer Wohl-
ſtand viele Freiheiten entzogen, die jene ge-
noſſen; daß unſer Stadtleben es nothwendig
verhindert, daß unſre Poeſie nicht Botaniſch
ſeyn kann, wie Michaelis die Morgenlaͤndiſche
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/65>, abgerufen am 16.07.2024.
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