hen auch bei ihren heiligen Gedichten nicht immer darauf, ob jedes Gleichniß tugendhaft und wohlanstandig wäre; wenn es nur schil- derte -- Unsere Religion hingegen ist keine Tochter der Einbildungskraft, sondern eine Schwester der Vernunft und Moralischen Güte. --
Und nun! sind alle Gedichte, die bei ihnen Stücke der Religion waren, es auch für uns? Jch glaube nicht! Und wenn man sie also nachahmen wollte? So müste es seyn, "als "wenn David z. E. christliche Psalmen schrei- "ben würde" Freilich ist dies der Zweck, der bei Klopstocks Liedern in der Vorrede steht, den aber im Gauzen seine Lieder nicht errei- chen möchten. Wirklich etwas zu viel Orienta- lischer Schaum, und christliche Gegenstände Orientalisch behandelt -- Und worinn denn? Jch schäzze diese Lieder sehr, denn sie wirken mehr auf das Herz, als einige andere. Und dar- nach beurtheile ich den Werth eines Liedes. Aber zu viel Morgenländische, Biblische Spra- che, als daß sie immer nach unsern Jdeen be- stimmt gnug seyn sollte: gewisse Morgen- ländische Wiederholungen, die statt zu seufzen
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hen auch bei ihren heiligen Gedichten nicht immer darauf, ob jedes Gleichniß tugendhaft und wohlanſtandig waͤre; wenn es nur ſchil- derte — Unſere Religion hingegen iſt keine Tochter der Einbildungskraft, ſondern eine Schweſter der Vernunft und Moraliſchen Guͤte. —
Und nun! ſind alle Gedichte, die bei ihnen Stuͤcke der Religion waren, es auch fuͤr uns? Jch glaube nicht! Und wenn man ſie alſo nachahmen wollte? So muͤſte es ſeyn, „als „wenn David z. E. chriſtliche Pſalmen ſchrei- „ben wuͤrde„ Freilich iſt dies der Zweck, der bei Klopſtocks Liedern in der Vorrede ſteht, den aber im Gauzen ſeine Lieder nicht errei- chen moͤchten. Wirklich etwas zu viel Orienta- liſcher Schaum, und chriſtliche Gegenſtaͤnde Orientaliſch behandelt — Und worinn denn? Jch ſchaͤzze dieſe Lieder ſehr, denn ſie wirken mehr auf das Herz, als einige andere. Und dar- nach beurtheile ich den Werth eines Liedes. Aber zu viel Morgenlaͤndiſche, Bibliſche Spra- che, als daß ſie immer nach unſern Jdeen be- ſtimmt gnug ſeyn ſollte: gewiſſe Morgen- laͤndiſche Wiederholungen, die ſtatt zu ſeufzen
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hen auch bei ihren heiligen Gedichten nicht
immer darauf, ob jedes Gleichniß tugendhaft
und wohlanſtandig waͤre; wenn es nur ſchil-
derte — Unſere Religion hingegen iſt keine
Tochter der Einbildungskraft, ſondern eine
Schweſter der Vernunft und Moraliſchen
Guͤte. —
Und nun! ſind alle Gedichte, die bei ihnen
Stuͤcke der Religion waren, es auch fuͤr uns?
Jch glaube nicht! Und wenn man ſie alſo
nachahmen wollte? So muͤſte es ſeyn, „als
„wenn David z. E. chriſtliche Pſalmen ſchrei-
„ben wuͤrde„ Freilich iſt dies der Zweck, der
bei Klopſtocks Liedern in der Vorrede ſteht,
den aber im Gauzen ſeine Lieder nicht errei-
chen moͤchten. Wirklich etwas zu viel Orienta-
liſcher Schaum, und chriſtliche Gegenſtaͤnde
Orientaliſch behandelt — Und worinn denn?
Jch ſchaͤzze dieſe Lieder ſehr, denn ſie wirken
mehr auf das Herz, als einige andere. Und dar-
nach beurtheile ich den Werth eines Liedes.
Aber zu viel Morgenlaͤndiſche, Bibliſche Spra-
che, als daß ſie immer nach unſern Jdeen be-
ſtimmt gnug ſeyn ſollte: gewiſſe Morgen-
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/58>, abgerufen am 16.07.2024.
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