Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.lerliebste Schäfertändeleien, hier über ein So möchte Geßner gegen Theokrit seyn. Leiden- A a 5
lerliebſte Schaͤfertaͤndeleien, hier uͤber ein So moͤchte Geßner gegen Theokrit ſeyn. Leiden- A a 5
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lerliebſte Schaͤfertaͤndeleien, hier uͤber ein
fliegendes Roſenblatt, dort uͤber einen zerbro-
chenen Krug, hier uͤber einen Baum, dort
uͤber das Schnaͤbeln der Tauben; hier redet
der Vater Menalkas, hier der Sohn Myrtill
uͤber ſeinen ſchlummernden Vater; hier der
neunzigjaͤhrige Palaͤmon: hier der Liebhaber,
dort die Schoͤne; immer aber derſelbe Schaͤ-
fer, nur in einer andern Situation.
So moͤchte Geßner gegen Theokrit ſeyn.
Jch weiß nicht, ob ich mit Rammler ſa-
gen kann: „er hat im wahren Geiſt des
„Theokrits gedichtet. Man findet hier glei-
„che Suͤßigkeit, gleiche Naivete, gleiche Un-
„ſchuld in Sitten.„ Die Suͤßigkeit des Grie-
chen iſt noch ein klarer Waſſertrank aus dem
Pieriſchen Quell der Muſen; der Trank des
Deutſchen iſt verzuckert. Jenes Naivete
iſt eine Tochter der einſaͤltigen Natur; die
Naivete im Geßner iſt von der Jdealiſchen
Kunſt geboren; jenes Unſchuld redet in Sit-
ten des Zeitalters; die Unſchuld des lezren
erſtreckt ſich bis auf die Geſinnungen, Nei-
gungen, und Worte. Kurz! Theokrit malt
Leiden-
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