Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser Politischen Cultur strebten, beständig im
Munde (kalos k'agathos); und es war bei ih-
nen, wie ein Scholiast sagt: summa omnis
laudationis!
Und also gewiß nothwendig
mehr, als ein guter hübscher Mann bei uns.

Der Recensent will auch nur einen einzigen
Beweis, daß kalos k'agathos etwas mehr
als dies bedeute? Wohl! es sei eben die
Stelle, * in der er nichts als den guten hübschen
Mann finden will; Schade, daß ich mehr dar-
inn finde, und eben die Beschreibung des ka-
lou k'agathou. Sokrates frägt den jungen
Theages im Plato: ti oun; ouk edidaxato
se o pater kai epaideusen aperenthade oi
alloi paideuontai, oi ton kalon kaga-
thon pateron uiees; oion grammata te,
kai kitharizein, kai palaiein, kai ten al-
len agonian; Können hier kaloi kagathoi
füglich gute hübsche Leute bedeuten, wie
wir dies Wort brauchen? Nein! sie ließen
ihre Söhne, um sie auch zu kalois kaga-
thois zu machen, Wissenschaften (nicht blos
das A B C lesen und schreiben), die Musik,
die nach der Griechischen Denkart weit mehr

schö-
* Litter, Br. Th. 1. p. 52.

dieſer Politiſchen Cultur ſtrebten, beſtaͤndig im
Munde (καλος κ’αγαϑος); und es war bei ih-
nen, wie ein Scholiaſt ſagt: ſumma omnis
laudationis!
Und alſo gewiß nothwendig
mehr, als ein guter huͤbſcher Mann bei uns.

Der Recenſent will auch nur einen einzigen
Beweis, daß καλος κ’αγαϑος etwas mehr
als dies bedeute? Wohl! es ſei eben die
Stelle, * in der er nichts als den guten huͤbſchen
Mann finden will; Schade, daß ich mehr dar-
inn finde, und eben die Beſchreibung des κα-
λου κ’αγαϑου. Sokrates fraͤgt den jungen
Theages im Plato: τι ουν; ουκ εδιδαξατο
σε ο πατηρ και επαιδευσεν απερενϑαδε οι
αλλοι παιδευονται, οι των καλων κᾳγα-
ϑων πατερων υιεες; οιον γραμματα τε,
και κιϑαριζειν, και παλαιειν, και την αλ-
λην αγωνιαν; Koͤnnen hier καλοι κᾳγαϑοι
fuͤglich gute huͤbſche Leute bedeuten, wie
wir dies Wort brauchen? Nein! ſie ließen
ihre Soͤhne, um ſie auch zu καλοις κᾳγα-
ϑοις zu machen, Wiſſenſchaften (nicht blos
das A B C leſen und ſchreiben), die Muſik,
die nach der Griechiſchen Denkart weit mehr

ſchoͤ-
* Litter, Br. Th. 1. p. 52.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0124" n="292"/>
die&#x017F;er Politi&#x017F;chen Cultur &#x017F;trebten, be&#x017F;ta&#x0364;ndig im<lb/>
Munde (&#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BA;&#x2019;&#x03B1;&#x03B3;&#x03B1;&#x03D1;&#x03BF;&#x03C2;); und es war bei ih-<lb/>
nen, wie ein Scholia&#x017F;t &#x017F;agt: <hi rendition="#aq">&#x017F;umma omnis<lb/>
laudationis!</hi> Und al&#x017F;o gewiß nothwendig<lb/>
mehr, als ein guter hu&#x0364;b&#x017F;cher Mann bei uns.</p><lb/>
          <p>Der Recen&#x017F;ent will auch nur einen einzigen<lb/>
Beweis, daß &#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BA;&#x2019;&#x03B1;&#x03B3;&#x03B1;&#x03D1;&#x03BF;&#x03C2; etwas mehr<lb/>
als dies bedeute? Wohl! es &#x017F;ei eben die<lb/>
Stelle, <note place="foot" n="*">Litter, Br. Th. 1. p. 52.</note> in der er nichts als den guten hu&#x0364;b&#x017F;chen<lb/>
Mann finden will; Schade, daß ich mehr dar-<lb/>
inn finde, und eben die Be&#x017F;chreibung des &#x03BA;&#x03B1;-<lb/>
&#x03BB;&#x03BF;&#x03C5; &#x03BA;&#x2019;&#x03B1;&#x03B3;&#x03B1;&#x03D1;&#x03BF;&#x03C5;. Sokrates fra&#x0364;gt den jungen<lb/><hi rendition="#fr">Theages</hi> im <hi rendition="#fr">Plato:</hi> &#x03C4;&#x03B9; &#x03BF;&#x03C5;&#x03BD;; &#x03BF;&#x03C5;&#x03BA; &#x03B5;&#x03B4;&#x03B9;&#x03B4;&#x03B1;&#x03BE;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;<lb/>
&#x03C3;&#x03B5; &#x03BF; &#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C1; &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x03B5;&#x03C0;&#x03B1;&#x03B9;&#x03B4;&#x03B5;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B5;&#x03BD; &#x03B1;&#x03C0;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B5;&#x03BD;&#x03D1;&#x03B1;&#x03B4;&#x03B5; &#x03BF;&#x03B9;<lb/>
&#x03B1;&#x03BB;&#x03BB;&#x03BF;&#x03B9; &#x03C0;&#x03B1;&#x03B9;&#x03B4;&#x03B5;&#x03C5;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;, &#x03BF;&#x03B9; &#x03C4;&#x03C9;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x03C9;&#x03BD; &#x03BA;&#x1FB3;&#x03B3;&#x03B1;-<lb/>
&#x03D1;&#x03C9;&#x03BD; &#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C1;&#x03C9;&#x03BD; &#x03C5;&#x03B9;&#x03B5;&#x03B5;&#x03C2;; &#x03BF;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B3;&#x03C1;&#x03B1;&#x03BC;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1; &#x03C4;&#x03B5;,<lb/>
&#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x03BA;&#x03B9;&#x03D1;&#x03B1;&#x03C1;&#x03B9;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;, &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C0;&#x03B1;&#x03BB;&#x03B1;&#x03B9;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;, &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C4;&#x03B7;&#x03BD; &#x03B1;&#x03BB;-<lb/>
&#x03BB;&#x03B7;&#x03BD; &#x03B1;&#x03B3;&#x03C9;&#x03BD;&#x03B9;&#x03B1;&#x03BD;; Ko&#x0364;nnen hier &#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BF;&#x03B9; &#x03BA;&#x1FB3;&#x03B3;&#x03B1;&#x03D1;&#x03BF;&#x03B9;<lb/>
fu&#x0364;glich <hi rendition="#fr">gute hu&#x0364;b&#x017F;che Leute</hi> bedeuten, wie<lb/>
wir dies Wort brauchen? Nein! &#x017F;ie ließen<lb/>
ihre So&#x0364;hne, um &#x017F;ie auch zu &#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2; &#x03BA;&#x1FB3;&#x03B3;&#x03B1;-<lb/>
&#x03D1;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2; zu machen, <hi rendition="#fr">Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften</hi> (nicht blos<lb/>
das A B C le&#x017F;en und &#x017F;chreiben), die <hi rendition="#fr">Mu&#x017F;ik,</hi><lb/>
die nach der Griechi&#x017F;chen Denkart weit mehr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;cho&#x0364;-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0124] dieſer Politiſchen Cultur ſtrebten, beſtaͤndig im Munde (καλος κ’αγαϑος); und es war bei ih- nen, wie ein Scholiaſt ſagt: ſumma omnis laudationis! Und alſo gewiß nothwendig mehr, als ein guter huͤbſcher Mann bei uns. Der Recenſent will auch nur einen einzigen Beweis, daß καλος κ’αγαϑος etwas mehr als dies bedeute? Wohl! es ſei eben die Stelle, * in der er nichts als den guten huͤbſchen Mann finden will; Schade, daß ich mehr dar- inn finde, und eben die Beſchreibung des κα- λου κ’αγαϑου. Sokrates fraͤgt den jungen Theages im Plato: τι ουν; ουκ εδιδαξατο σε ο πατηρ και επαιδευσεν απερενϑαδε οι αλλοι παιδευονται, οι των καλων κᾳγα- ϑων πατερων υιεες; οιον γραμματα τε, και κιϑαριζειν, και παλαιειν, και την αλ- λην αγωνιαν; Koͤnnen hier καλοι κᾳγαϑοι fuͤglich gute huͤbſche Leute bedeuten, wie wir dies Wort brauchen? Nein! ſie ließen ihre Soͤhne, um ſie auch zu καλοις κᾳγα- ϑοις zu machen, Wiſſenſchaften (nicht blos das A B C leſen und ſchreiben), die Muſik, die nach der Griechiſchen Denkart weit mehr ſchoͤ- * Litter, Br. Th. 1. p. 52.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/124
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/124>, abgerufen am 21.11.2024.