Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.hätten aedus, ircus (statt haedus, hircus) Die * Hier im Vorbeigehen eine kleine Schulanmer-
kung, die unsrer neuen Orthographie nöthig ist. Die Alten hatten sich so in das H verliebt, daß sie es gerne sprachen, selbst wo sie es nicht schreiben dorften, und auch nicht schrieben. Uns neuern ist so wenig an diesem Musikali- schen Buchstaben gelegen, daß wir ihn im Schrei- ben so gern wegwerfen, da wo wir ihn doch nothwendig, und insonderheit bei einsylbigen Wörtern sehr unterscheidend sprechen müssen. Die Orthographie des Denso und vieler an- dern ist mir also unausstehlich: die bewonen, Lon, Son schreiben: bald wird man also auch Geen (statt geben), aben statt haben, und An, statt haͤtten aedus, ircus (ſtatt haedus, hircus) Die * Hier im Vorbeigehen eine kleine Schulanmer-
kung, die unſrer neuen Orthographie noͤthig iſt. Die Alten hatten ſich ſo in das H verliebt, daß ſie es gerne ſprachen, ſelbſt wo ſie es nicht ſchreiben dorften, und auch nicht ſchrieben. Uns neuern iſt ſo wenig an dieſem Muſikali- ſchen Buchſtaben gelegen, daß wir ihn im Schrei- ben ſo gern wegwerfen, da wo wir ihn doch nothwendig, und inſonderheit bei einſylbigen Woͤrtern ſehr unterſcheidend ſprechen muͤſſen. Die Orthographie des Denſo und vieler an- dern iſt mir alſo unausſtehlich: die bewonen, Lon, Son ſchreiben: bald wird man alſo auch Geen (ſtatt geben), aben ſtatt haben, und An, ſtatt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0096" n="92"/> haͤtten <hi rendition="#aq">aedus, ircus</hi> (ſtatt <hi rendition="#aq">haedus, hircus</hi>)<lb/> geſprochen: man haͤtte aus dem Griechiſchen<lb/> aber das H dazu genommen: ja, wenn man<lb/> das Catulliſche Epigramm kennet, das uͤber<lb/><hi rendition="#aq">hinſidias</hi> und <hi rendition="#aq">hionios</hi> (ſtatt <hi rendition="#aq">inſidias</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">ionios</hi>) ſpottet: ſo weiß man, daß die Klein-<lb/> meiſter von lieblichem Ton ihn endlich zu all-<lb/> gemein auch bei den ſanften Vokalen, die ihn<lb/> nicht noͤthig hatten, machen wollten. <hi rendition="#fr">Cicero</hi><lb/> aͤrgert ſich, daß er dem Volk zu gefallen,<lb/><hi rendition="#aq">pulcher</hi> und <hi rendition="#aq">triumphus,</hi> ſtatt <hi rendition="#aq">pulcer</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">triumpus</hi> ausſprechen muͤſte, und <hi rendition="#fr">Quinti-<lb/> lian</hi> aͤrgert ſich, daß man ſchon ausſchweif-<lb/> te, um <hi rendition="#aq">chorona</hi> und <hi rendition="#aq">praecho</hi> zu ſchreiben. <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="*">Hier im Vorbeigehen eine kleine Schulanmer-<lb/> kung, die unſrer neuen Orthographie noͤthig iſt.<lb/> Die Alten hatten ſich ſo in das H verliebt,<lb/> daß ſie es gerne ſprachen, ſelbſt wo ſie es nicht<lb/> ſchreiben <hi rendition="#fr">dorften,</hi> und auch nicht ſchrieben.<lb/> Uns neuern iſt ſo wenig an dieſem Muſikali-<lb/> ſchen Buchſtaben gelegen, daß wir ihn im Schrei-<lb/> ben ſo gern wegwerfen, da wo wir ihn doch<lb/> nothwendig, und inſonderheit bei <hi rendition="#fr">einſylbigen</hi><lb/> Woͤrtern ſehr unterſcheidend ſprechen muͤſſen.<lb/> Die Orthographie des <hi rendition="#fr">Denſo</hi> und vieler an-<lb/> dern iſt mir alſo unausſtehlich: die <hi rendition="#fr">bewonen,<lb/> Lon, Son</hi> ſchreiben: bald wird man alſo <hi rendition="#fr">auch<lb/> Geen</hi> (ſtatt geben), aben ſtatt haben, und An,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſtatt</fw></note><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0096]
haͤtten aedus, ircus (ſtatt haedus, hircus)
geſprochen: man haͤtte aus dem Griechiſchen
aber das H dazu genommen: ja, wenn man
das Catulliſche Epigramm kennet, das uͤber
hinſidias und hionios (ſtatt inſidias und
ionios) ſpottet: ſo weiß man, daß die Klein-
meiſter von lieblichem Ton ihn endlich zu all-
gemein auch bei den ſanften Vokalen, die ihn
nicht noͤthig hatten, machen wollten. Cicero
aͤrgert ſich, daß er dem Volk zu gefallen,
pulcher und triumphus, ſtatt pulcer und
triumpus ausſprechen muͤſte, und Quinti-
lian aͤrgert ſich, daß man ſchon ausſchweif-
te, um chorona und praecho zu ſchreiben. *
Die
* Hier im Vorbeigehen eine kleine Schulanmer-
kung, die unſrer neuen Orthographie noͤthig iſt.
Die Alten hatten ſich ſo in das H verliebt,
daß ſie es gerne ſprachen, ſelbſt wo ſie es nicht
ſchreiben dorften, und auch nicht ſchrieben.
Uns neuern iſt ſo wenig an dieſem Muſikali-
ſchen Buchſtaben gelegen, daß wir ihn im Schrei-
ben ſo gern wegwerfen, da wo wir ihn doch
nothwendig, und inſonderheit bei einſylbigen
Woͤrtern ſehr unterſcheidend ſprechen muͤſſen.
Die Orthographie des Denſo und vieler an-
dern iſt mir alſo unausſtehlich: die bewonen,
Lon, Son ſchreiben: bald wird man alſo auch
Geen (ſtatt geben), aben ſtatt haben, und An,
ſtatt
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