Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

danken in Worte, und Empfindungen in Bil-
der; der Uebersezzer muß selbst ein schöpferi-
sches Genie seyn, wenn er hier seinem Original
und seiner Sprache ein Gnüge thun will. Ein
Deutscher Homer, Aeschylus, Sophokles, der
im Deutschen eben so klaßisch ist, als jene in
ihrer Sprache, errichtet ein Denkmal, das
weder einem Klein - noch Schulmeister ins
Auge fällt, das aber durch seine stille Grös-
se und einfältige Pracht das Auge des Wei-
sen fesselt, und die Aufschrift verdienet:
Der Nachwelt und Ewigkeit heilig!

Ein solcher Uebersezzer ist unstreitig viele
Köpfe größer, als ein anderer, der aus ei-
ner nähern Zeit, aus einer verwandten
Sprache, aus einem Volke, das mit uns
einerlei Denkart und Genie hat, ein Werk
übersezzt, das im leichtesten Poetischen Ton,
Didaktisch, geschrieben ist, und das dem ohn-
geachtet doch in der Uebersezzung sein bestes
Colorit
verlieret -- sollte dieser Uebersezzer
auch Ebert selbst seyn. -- Sein Young hät-
te im Deutschen, zu unsrer Zeit, nach unsern
Sitten und Religion, immer seine Nächte

schrei-
E 5

danken in Worte, und Empfindungen in Bil-
der; der Ueberſezzer muß ſelbſt ein ſchoͤpferi-
ſches Genie ſeyn, wenn er hier ſeinem Original
und ſeiner Sprache ein Gnuͤge thun will. Ein
Deutſcher Homer, Aeſchylus, Sophokles, der
im Deutſchen eben ſo klaßiſch iſt, als jene in
ihrer Sprache, errichtet ein Denkmal, das
weder einem Klein - noch Schulmeiſter ins
Auge faͤllt, das aber durch ſeine ſtille Groͤſ-
ſe und einfaͤltige Pracht das Auge des Wei-
ſen feſſelt, und die Aufſchrift verdienet:
Der Nachwelt und Ewigkeit heilig!

Ein ſolcher Ueberſezzer iſt unſtreitig viele
Koͤpfe groͤßer, als ein anderer, der aus ei-
ner naͤhern Zeit, aus einer verwandten
Sprache, aus einem Volke, das mit uns
einerlei Denkart und Genie hat, ein Werk
uͤberſezzt, das im leichteſten Poetiſchen Ton,
Didaktiſch, geſchrieben iſt, und das dem ohn-
geachtet doch in der Ueberſezzung ſein beſtes
Colorit
verlieret — ſollte dieſer Ueberſezzer
auch Ebert ſelbſt ſeyn. — Sein Young haͤt-
te im Deutſchen, zu unſrer Zeit, nach unſern
Sitten und Religion, immer ſeine Naͤchte

ſchrei-
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0077" n="73"/>
danken in Worte, und Empfindungen in Bil-<lb/>
der; der Ueber&#x017F;ezzer muß &#x017F;elb&#x017F;t ein &#x017F;cho&#x0364;pferi-<lb/>
&#x017F;ches Genie &#x017F;eyn, wenn er hier &#x017F;einem Original<lb/>
und &#x017F;einer Sprache ein Gnu&#x0364;ge thun will. Ein<lb/>
Deut&#x017F;cher Homer, Ae&#x017F;chylus, Sophokles, der<lb/>
im Deut&#x017F;chen eben &#x017F;o klaßi&#x017F;ch i&#x017F;t, als jene in<lb/>
ihrer Sprache, errichtet ein Denkmal, das<lb/>
weder einem Klein - noch Schulmei&#x017F;ter ins<lb/>
Auge fa&#x0364;llt, das aber durch &#x017F;eine &#x017F;tille Gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e und einfa&#x0364;ltige Pracht das Auge des Wei-<lb/>
&#x017F;en fe&#x017F;&#x017F;elt, und die Auf&#x017F;chrift verdienet:<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Der Nachwelt und Ewigkeit heilig!</hi></hi></p><lb/>
          <p>Ein &#x017F;olcher Ueber&#x017F;ezzer i&#x017F;t un&#x017F;treitig viele<lb/>
Ko&#x0364;pfe gro&#x0364;ßer, als ein anderer, der aus ei-<lb/>
ner <hi rendition="#fr">na&#x0364;hern</hi> Zeit, aus einer <hi rendition="#fr">verwandten</hi><lb/>
Sprache, aus einem Volke, das mit uns<lb/><hi rendition="#fr">einerlei</hi> Denkart und Genie hat, ein Werk<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;ezzt, das im leichte&#x017F;ten Poeti&#x017F;chen Ton,<lb/><hi rendition="#fr">Didakti&#x017F;ch,</hi> ge&#x017F;chrieben i&#x017F;t, und das dem ohn-<lb/>
geachtet doch in der Ueber&#x017F;ezzung <hi rendition="#fr">&#x017F;ein be&#x017F;tes<lb/>
Colorit</hi> verlieret &#x2014; &#x017F;ollte die&#x017F;er Ueber&#x017F;ezzer<lb/>
auch <hi rendition="#fr">Ebert</hi> &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eyn. &#x2014; Sein Young ha&#x0364;t-<lb/>
te im Deut&#x017F;chen, zu un&#x017F;rer Zeit, nach un&#x017F;ern<lb/>
Sitten und Religion, immer &#x017F;eine Na&#x0364;chte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chrei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0077] danken in Worte, und Empfindungen in Bil- der; der Ueberſezzer muß ſelbſt ein ſchoͤpferi- ſches Genie ſeyn, wenn er hier ſeinem Original und ſeiner Sprache ein Gnuͤge thun will. Ein Deutſcher Homer, Aeſchylus, Sophokles, der im Deutſchen eben ſo klaßiſch iſt, als jene in ihrer Sprache, errichtet ein Denkmal, das weder einem Klein - noch Schulmeiſter ins Auge faͤllt, das aber durch ſeine ſtille Groͤſ- ſe und einfaͤltige Pracht das Auge des Wei- ſen feſſelt, und die Aufſchrift verdienet: Der Nachwelt und Ewigkeit heilig! Ein ſolcher Ueberſezzer iſt unſtreitig viele Koͤpfe groͤßer, als ein anderer, der aus ei- ner naͤhern Zeit, aus einer verwandten Sprache, aus einem Volke, das mit uns einerlei Denkart und Genie hat, ein Werk uͤberſezzt, das im leichteſten Poetiſchen Ton, Didaktiſch, geſchrieben iſt, und das dem ohn- geachtet doch in der Ueberſezzung ſein beſtes Colorit verlieret — ſollte dieſer Ueberſezzer auch Ebert ſelbſt ſeyn. — Sein Young haͤt- te im Deutſchen, zu unſrer Zeit, nach unſern Sitten und Religion, immer ſeine Naͤchte ſchrei- E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/77
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/77>, abgerufen am 21.11.2024.