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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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führung, und erhaben in den Schilderungen,
sind sie Werke der Unsterblichkeit würdig, und
der Name unsers Jahrhunderts.

2. Hagedorn * hat der Göttin der Ge-
mälde einen Altar von weißem Marmor er-
richtet, und mit vieler Annehmlichkeit um ihn
Blumen zu streuen gewußt: das ganze Werk
zeiget vielen Geschmack des Künstlers, noch
mehr Känntniß des Werkmeisters, und die
feinste Critik des Costume: das Bildniß der
Göttin selbst aber ist dem Fleiß, der Müh-
samkeit und Dauer nach, eine ächte Mosaische
Arbeit -- -- Doch ich rede frei und ohne
Schleier. Der Verfasser verräth viele Be-
kanntschaft in den Kunstsälen von hohem Ge-
schmack, und in den Malerakademien nach
dem Ueblichen; aber vielleicht etwas mindere
in dem heiligen Haine der schönen Natur;
daher seine Philosophische Betrachtungen über
das Schöne etc. in der Kunst nie das Wesen
erreichen. Für Lehrlinge ist sein Lehrbuch
eine zu dunkle und in den Schönheiten zu
verschlossene Encyklopädie der Malerei; desto

an-
* Th. 23. p. 3.

fuͤhrung, und erhaben in den Schilderungen,
ſind ſie Werke der Unſterblichkeit wuͤrdig, und
der Name unſers Jahrhunderts.

2. Hagedorn * hat der Goͤttin der Ge-
maͤlde einen Altar von weißem Marmor er-
richtet, und mit vieler Annehmlichkeit um ihn
Blumen zu ſtreuen gewußt: das ganze Werk
zeiget vielen Geſchmack des Kuͤnſtlers, noch
mehr Kaͤnntniß des Werkmeiſters, und die
feinſte Critik des Coſtume: das Bildniß der
Goͤttin ſelbſt aber iſt dem Fleiß, der Muͤh-
ſamkeit und Dauer nach, eine aͤchte Moſaiſche
Arbeit — — Doch ich rede frei und ohne
Schleier. Der Verfaſſer verraͤth viele Be-
kanntſchaft in den Kunſtſaͤlen von hohem Ge-
ſchmack, und in den Malerakademien nach
dem Ueblichen; aber vielleicht etwas mindere
in dem heiligen Haine der ſchoͤnen Natur;
daher ſeine Philoſophiſche Betrachtungen uͤber
das Schoͤne ꝛc. in der Kunſt nie das Weſen
erreichen. Fuͤr Lehrlinge iſt ſein Lehrbuch
eine zu dunkle und in den Schoͤnheiten zu
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an-
* Th. 23. p. 3.
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[146/0150] fuͤhrung, und erhaben in den Schilderungen, ſind ſie Werke der Unſterblichkeit wuͤrdig, und der Name unſers Jahrhunderts. 2. Hagedorn * hat der Goͤttin der Ge- maͤlde einen Altar von weißem Marmor er- richtet, und mit vieler Annehmlichkeit um ihn Blumen zu ſtreuen gewußt: das ganze Werk zeiget vielen Geſchmack des Kuͤnſtlers, noch mehr Kaͤnntniß des Werkmeiſters, und die feinſte Critik des Coſtume: das Bildniß der Goͤttin ſelbſt aber iſt dem Fleiß, der Muͤh- ſamkeit und Dauer nach, eine aͤchte Moſaiſche Arbeit — — Doch ich rede frei und ohne Schleier. Der Verfaſſer verraͤth viele Be- kanntſchaft in den Kunſtſaͤlen von hohem Ge- ſchmack, und in den Malerakademien nach dem Ueblichen; aber vielleicht etwas mindere in dem heiligen Haine der ſchoͤnen Natur; daher ſeine Philoſophiſche Betrachtungen uͤber das Schoͤne ꝛc. in der Kunſt nie das Weſen erreichen. Fuͤr Lehrlinge iſt ſein Lehrbuch eine zu dunkle und in den Schoͤnheiten zu verſchloſſene Encyklopaͤdie der Malerei; deſto an- * Th. 23. p. 3.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/150>, abgerufen am 21.11.2024.