"wird von ihnen gehört und macht eine Syl- "be lang u. s. w. Wir haben nichts derglei- "chen; wir richten uns blos nach einer zu- "weilen ziemlich unbestimmten Aussprache. "Fast alle einsylbichte Wörter, deren wir ei- "ne sehr große Menge haben, können nach Be- "lieben lang oder kurz gebraucht werden; hiezu "kommt, daß wir gezwungen seyn, uns an- "statt der Spondäen mehrentheils der Tro- "chäen zu bedienen, daß wir sehr wenige Dak- "tylen haben u. s. w." Blos diese beide lezte Punkte beweisen, daß ein Vers, wo es einer- lei ist oder Breve; entweder Breve Breve oder Breve oder gar Breve zu sezzen, ohnmöglich eben derselbe Vers der Alten seyn kann, in- dem jedes Sylbenmaas aufs genaueste be- stimmt war.
"Wir können also blos den alten Hexame- "ter auf gewisse Weise nachahmen, und da "unsre Tonmessung in vielen Stücken noch "gar nicht unter gehörige Regeln gebracht "ist: so muß indessen das Ohr hauptsächlich "die Richtigkeit des Deutschen Hexameters "entscheiden. Dieses muß am sichersten be- "stimmen, ob ein Wort an einem gewissen
"Orte
„wird von ihnen gehoͤrt und macht eine Syl- „be lang u. ſ. w. Wir haben nichts derglei- „chen; wir richten uns blos nach einer zu- „weilen ziemlich unbeſtimmten Ausſprache. „Faſt alle einſylbichte Woͤrter, deren wir ei- „ne ſehr große Menge haben, koͤnnen nach Be- „lieben lang oder kurz gebraucht werden; hiezu „kommt, daß wir gezwungen ſeyn, uns an- „ſtatt der Spondaͤen mehrentheils der Tro- „chaͤen zu bedienen, daß wir ſehr wenige Dak- „tylen haben u. ſ. w.„ Blos dieſe beide lezte Punkte beweiſen, daß ein Vers, wo es einer- lei iſt ̅ ̅ oder ̅ ⏑; entweder ̅ ⏑ ⏑ oder ̅ ⏑ ̅ oder gar ̅ ̅ ⏑ zu ſezzen, ohnmoͤglich eben derſelbe Vers der Alten ſeyn kann, in- dem jedes Sylbenmaas aufs genaueſte be- ſtimmt war.
„Wir koͤnnen alſo blos den alten Hexame- „ter auf gewiſſe Weiſe nachahmen, und da „unſre Tonmeſſung in vielen Stuͤcken noch „gar nicht unter gehoͤrige Regeln gebracht „iſt: ſo muß indeſſen das Ohr hauptſaͤchlich „die Richtigkeit des Deutſchen Hexameters „entſcheiden. Dieſes muß am ſicherſten be- „ſtimmen, ob ein Wort an einem gewiſſen
„Orte
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„wird von ihnen gehoͤrt und macht eine Syl-
„be lang u. ſ. w. Wir haben nichts derglei-
„chen; wir richten uns blos nach einer zu-
„weilen ziemlich unbeſtimmten Ausſprache.
„Faſt alle einſylbichte Woͤrter, deren wir ei-
„ne ſehr große Menge haben, koͤnnen nach Be-
„lieben lang oder kurz gebraucht werden; hiezu
„kommt, daß wir gezwungen ſeyn, uns an-
„ſtatt der Spondaͤen mehrentheils der Tro-
„chaͤen zu bedienen, daß wir ſehr wenige Dak-
„tylen haben u. ſ. w.„ Blos dieſe beide lezte
Punkte beweiſen, daß ein Vers, wo es einer-
lei iſt ̅ ̅ oder ̅ ⏑; entweder ̅ ⏑ ⏑ oder
̅ ⏑ ̅ oder gar ̅ ̅ ⏑ zu ſezzen, ohnmoͤglich
eben derſelbe Vers der Alten ſeyn kann, in-
dem jedes Sylbenmaas aufs genaueſte be-
ſtimmt war.
„Wir koͤnnen alſo blos den alten Hexame-
„ter auf gewiſſe Weiſe nachahmen, und da
„unſre Tonmeſſung in vielen Stuͤcken noch
„gar nicht unter gehoͤrige Regeln gebracht
„iſt: ſo muß indeſſen das Ohr hauptſaͤchlich
„die Richtigkeit des Deutſchen Hexameters
„entſcheiden. Dieſes muß am ſicherſten be-
„ſtimmen, ob ein Wort an einem gewiſſen
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/120>, abgerufen am 16.02.2025.
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