Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Kritische Wälder. zonthöhe beinahe schon über das sinnliche Bilderhoben, oder wenigstens so oft von jenen Vor- stellungen abgewichen, als wären sie nicht mehr dieselbe. Jn dieser, meines Wissens noch nicht so bemerkten Aussicht sollte man das Winckelman- nische Werk a) durchgehen, so würde man sehen, wie vorzüglich bei den Aegyptern, (denn sie sind die ältesten,) so dann bei Griechen und Römern Tugenden und Laster, und abstrakte Jdeen von allerlei Art fast immer eine andre Gestalt gehabt, als bei uns, wenigstens hie und da von einer Neben- seite angesehen worden, die sie bei uns verlohren. Oft ist das allegorische Bild einer Tugend, einer abstrakten Jdee nach griechischer Art mit dem Na- men derselben nach dem Sinne unsrer Zeit, eine Gesellschaft zwoer Personen, die sich sehr seltsam zusammen finden. Noch eine augenscheinliche Folge. Dichter eine a) Ueber die Allegorie. Getadelt gnug hat man diesen
Versuch, der doch nichts als Versuch seyn sollte; aber recensirt in der vorgesteckten Aussicht durchgegangen? ich weiß nicht. Und sie ist die einzige, nach der man die Frage entscheiden kann, wie weit wir den Alten nachallegorisiren können, oder nicht? Kritiſche Waͤlder. zonthoͤhe beinahe ſchon uͤber das ſinnliche Bilderhoben, oder wenigſtens ſo oft von jenen Vor- ſtellungen abgewichen, als waͤren ſie nicht mehr dieſelbe. Jn dieſer, meines Wiſſens noch nicht ſo bemerkten Ausſicht ſollte man das Winckelman- niſche Werk a) durchgehen, ſo wuͤrde man ſehen, wie vorzuͤglich bei den Aegyptern, (denn ſie ſind die aͤlteſten,) ſo dann bei Griechen und Roͤmern Tugenden und Laſter, und abſtrakte Jdeen von allerlei Art faſt immer eine andre Geſtalt gehabt, als bei uns, wenigſtens hie und da von einer Neben- ſeite angeſehen worden, die ſie bei uns verlohren. Oft iſt das allegoriſche Bild einer Tugend, einer abſtrakten Jdee nach griechiſcher Art mit dem Na- men derſelben nach dem Sinne unſrer Zeit, eine Geſellſchaft zwoer Perſonen, die ſich ſehr ſeltſam zuſammen finden. Noch eine augenſcheinliche Folge. Dichter eine a) Ueber die Allegorie. Getadelt gnug hat man dieſen
Verſuch, der doch nichts als Verſuch ſeyn ſollte; aber recenſirt in der vorgeſteckten Ausſicht durchgegangen? ich weiß nicht. Und ſie iſt die einzige, nach der man die Frage entſcheiden kann, wie weit wir den Alten nachallegoriſiren koͤnnen, oder nicht? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0082" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kritiſche Waͤlder.</hi></fw><lb/> zonthoͤhe beinahe ſchon uͤber das ſinnliche Bild<lb/> erhoben, oder wenigſtens ſo oft von jenen Vor-<lb/> ſtellungen abgewichen, als waͤren ſie nicht mehr<lb/> dieſelbe. Jn dieſer, meines Wiſſens noch nicht<lb/> ſo bemerkten Ausſicht ſollte man das Winckelman-<lb/> niſche Werk <note place="foot" n="a)">Ueber die Allegorie. Getadelt gnug hat man dieſen<lb/> Verſuch, der doch nichts als Verſuch ſeyn ſollte; aber<lb/> recenſirt in der vorgeſteckten Ausſicht durchgegangen?<lb/> ich weiß nicht. Und ſie iſt die einzige, nach der man<lb/> die Frage entſcheiden kann, wie weit wir den Alten<lb/> nachallegoriſiren koͤnnen, oder nicht?</note> durchgehen, ſo wuͤrde man ſehen,<lb/> wie vorzuͤglich bei den Aegyptern, (denn ſie ſind<lb/> die aͤlteſten,) ſo dann bei Griechen und Roͤmern<lb/> Tugenden und Laſter, und abſtrakte Jdeen von<lb/> allerlei Art faſt immer eine andre Geſtalt gehabt,<lb/> als bei uns, wenigſtens hie und da von einer Neben-<lb/> ſeite angeſehen worden, die ſie bei uns verlohren.<lb/> Oft iſt das allegoriſche Bild einer Tugend, einer<lb/> abſtrakten Jdee nach griechiſcher Art mit dem Na-<lb/> men derſelben nach dem Sinne unſrer Zeit, eine<lb/> Geſellſchaft zwoer Perſonen, die ſich ſehr ſeltſam<lb/> zuſammen finden.</p><lb/> <p>Noch eine augenſcheinliche Folge. Dichter<lb/> haben den Alten ihre Allegorie und Sprache <hi rendition="#fr">ange-<lb/> bildet:</hi> National war alſo ihre Bilderſprache und<lb/> wenn ſie entlehnt war, ſo wurde ſie nationaliſiret.<lb/> Der Unterſchied wird wichtig: denn bey uns iſt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0082]
Kritiſche Waͤlder.
zonthoͤhe beinahe ſchon uͤber das ſinnliche Bild
erhoben, oder wenigſtens ſo oft von jenen Vor-
ſtellungen abgewichen, als waͤren ſie nicht mehr
dieſelbe. Jn dieſer, meines Wiſſens noch nicht
ſo bemerkten Ausſicht ſollte man das Winckelman-
niſche Werk a) durchgehen, ſo wuͤrde man ſehen,
wie vorzuͤglich bei den Aegyptern, (denn ſie ſind
die aͤlteſten,) ſo dann bei Griechen und Roͤmern
Tugenden und Laſter, und abſtrakte Jdeen von
allerlei Art faſt immer eine andre Geſtalt gehabt,
als bei uns, wenigſtens hie und da von einer Neben-
ſeite angeſehen worden, die ſie bei uns verlohren.
Oft iſt das allegoriſche Bild einer Tugend, einer
abſtrakten Jdee nach griechiſcher Art mit dem Na-
men derſelben nach dem Sinne unſrer Zeit, eine
Geſellſchaft zwoer Perſonen, die ſich ſehr ſeltſam
zuſammen finden.
Noch eine augenſcheinliche Folge. Dichter
haben den Alten ihre Allegorie und Sprache ange-
bildet: National war alſo ihre Bilderſprache und
wenn ſie entlehnt war, ſo wurde ſie nationaliſiret.
Der Unterſchied wird wichtig: denn bey uns iſt
eine
a) Ueber die Allegorie. Getadelt gnug hat man dieſen
Verſuch, der doch nichts als Verſuch ſeyn ſollte; aber
recenſirt in der vorgeſteckten Ausſicht durchgegangen?
ich weiß nicht. Und ſie iſt die einzige, nach der man
die Frage entſcheiden kann, wie weit wir den Alten
nachallegoriſiren koͤnnen, oder nicht?
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