Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Wäldchen.
seiner römischen Größe und Hoheit; jeder übrige
Zusatz nach Provinzen und Ländern wäre für ihn
(ich nehme den Fall der Eroberung aus) verklei-
nernd. Ein Imperator, Cäsar, Dictator,
Pater Patriä,
war gnug, um gleichsam den Einen
zu bezeichnen, der nicht seines gleichen hat --

Vnde nil maius generatur ipso
Nec viget quidquam simile aut secundum.

Das Titulaturrecht unsrer heutigen Fürsten
muß von dieser römischen Größe mehr in die Cur-
rentmünze der Titel gehen. Hier diese Acquisi-
tion, dort jene Gerechtsame, dort jene Anwart-
schaft von Gottes Gnaden: sie muß nicht verges-
sen werden, und so kommt eine Titelreihe her-
aus, die oft auch die Münze besäet. So mache
man, wird man sagen, diese zu keiner Herolds-
tafel, und lasse sie weg! Gut, aber die lasse man
doch nicht weg, die in dieser Situation mit zur
Bestimmung, zur historischen Erklärung gehören?
Und eben dies, wie sehr läufts oft ins Detail?
Um nur der Nachwelt deutlich zu seyn, um diesen
von so manchen andern Fürsten zu unterscheiden --
welche Unterschiedenheit, von der ein Grieche und
Römer nichts wußte! Um eben diese und keine an-
dre Denkwürdigkeit der Nachwelt aus unsrer
Staatsverfassung zu erklären -- welche Unter-
schiedenheit, von der ein Grieche und Römer nichts
wußte. Die bloße Schuldeklamation des Hrn.

Ge-
E 4

Drittes Waͤldchen.
ſeiner roͤmiſchen Groͤße und Hoheit; jeder uͤbrige
Zuſatz nach Provinzen und Laͤndern waͤre fuͤr ihn
(ich nehme den Fall der Eroberung aus) verklei-
nernd. Ein Imperator, Caͤſar, Dictator,
Pater Patriaͤ,
war gnug, um gleichſam den Einen
zu bezeichnen, der nicht ſeines gleichen hat —

Vnde nil maius generatur ipſo
Nec viget quidquam ſimile aut ſecundum.

Das Titulaturrecht unſrer heutigen Fuͤrſten
muß von dieſer roͤmiſchen Groͤße mehr in die Cur-
rentmuͤnze der Titel gehen. Hier dieſe Acquiſi-
tion, dort jene Gerechtſame, dort jene Anwart-
ſchaft von Gottes Gnaden: ſie muß nicht vergeſ-
ſen werden, und ſo kommt eine Titelreihe her-
aus, die oft auch die Muͤnze beſaͤet. So mache
man, wird man ſagen, dieſe zu keiner Herolds-
tafel, und laſſe ſie weg! Gut, aber die laſſe man
doch nicht weg, die in dieſer Situation mit zur
Beſtimmung, zur hiſtoriſchen Erklaͤrung gehoͤren?
Und eben dies, wie ſehr laͤufts oft ins Detail?
Um nur der Nachwelt deutlich zu ſeyn, um dieſen
von ſo manchen andern Fuͤrſten zu unterſcheiden —
welche Unterſchiedenheit, von der ein Grieche und
Roͤmer nichts wußte! Um eben dieſe und keine an-
dre Denkwuͤrdigkeit der Nachwelt aus unſrer
Staatsverfaſſung zu erklaͤren — welche Unter-
ſchiedenheit, von der ein Grieche und Roͤmer nichts
wußte. Die bloße Schuldeklamation des Hrn.

Ge-
E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0077" n="71"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Wa&#x0364;ldchen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;einer ro&#x0364;mi&#x017F;chen Gro&#x0364;ße und Hoheit; jeder u&#x0364;brige<lb/>
Zu&#x017F;atz nach Provinzen und La&#x0364;ndern wa&#x0364;re fu&#x0364;r ihn<lb/>
(ich nehme den Fall der Eroberung aus) verklei-<lb/>
nernd. Ein <hi rendition="#aq">Imperator, Ca&#x0364;&#x017F;ar, Dictator,<lb/>
Pater Patria&#x0364;,</hi> war gnug, um gleich&#x017F;am den Einen<lb/>
zu bezeichnen, der nicht &#x017F;eines gleichen hat &#x2014;</p><lb/>
          <cit>
            <quote>
              <lg type="poem">
                <l> <hi rendition="#aq">Vnde nil maius generatur ip&#x017F;o</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#aq">Nec viget quidquam &#x017F;imile aut &#x017F;ecundum.</hi> </l>
              </lg>
            </quote>
            <bibl/>
          </cit><lb/>
          <p>Das Titulaturrecht un&#x017F;rer heutigen Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
muß von die&#x017F;er ro&#x0364;mi&#x017F;chen Gro&#x0364;ße mehr in die Cur-<lb/>
rentmu&#x0364;nze der Titel gehen. Hier die&#x017F;e Acqui&#x017F;i-<lb/>
tion, dort jene Gerecht&#x017F;ame, dort jene Anwart-<lb/>
&#x017F;chaft von Gottes Gnaden: &#x017F;ie muß nicht verge&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en werden, und &#x017F;o kommt eine Titelreihe her-<lb/>
aus, die oft auch die Mu&#x0364;nze be&#x017F;a&#x0364;et. So mache<lb/>
man, wird man &#x017F;agen, die&#x017F;e zu keiner Herolds-<lb/>
tafel, und la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie weg! Gut, aber die la&#x017F;&#x017F;e man<lb/>
doch nicht weg, die in die&#x017F;er Situation mit zur<lb/>
Be&#x017F;timmung, zur hi&#x017F;tori&#x017F;chen Erkla&#x0364;rung geho&#x0364;ren?<lb/>
Und eben dies, wie &#x017F;ehr la&#x0364;ufts oft ins Detail?<lb/>
Um nur der Nachwelt deutlich zu &#x017F;eyn, um die&#x017F;en<lb/>
von &#x017F;o manchen andern Fu&#x0364;r&#x017F;ten zu unter&#x017F;cheiden &#x2014;<lb/>
welche Unter&#x017F;chiedenheit, von der ein Grieche und<lb/>
Ro&#x0364;mer nichts wußte! Um eben die&#x017F;e und keine an-<lb/>
dre Denkwu&#x0364;rdigkeit der Nachwelt aus un&#x017F;rer<lb/>
Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ung zu erkla&#x0364;ren &#x2014; welche Unter-<lb/>
&#x017F;chiedenheit, von der ein Grieche und Ro&#x0364;mer nichts<lb/>
wußte. Die bloße Schuldeklamation des Hrn.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0077] Drittes Waͤldchen. ſeiner roͤmiſchen Groͤße und Hoheit; jeder uͤbrige Zuſatz nach Provinzen und Laͤndern waͤre fuͤr ihn (ich nehme den Fall der Eroberung aus) verklei- nernd. Ein Imperator, Caͤſar, Dictator, Pater Patriaͤ, war gnug, um gleichſam den Einen zu bezeichnen, der nicht ſeines gleichen hat — Vnde nil maius generatur ipſo Nec viget quidquam ſimile aut ſecundum. Das Titulaturrecht unſrer heutigen Fuͤrſten muß von dieſer roͤmiſchen Groͤße mehr in die Cur- rentmuͤnze der Titel gehen. Hier dieſe Acquiſi- tion, dort jene Gerechtſame, dort jene Anwart- ſchaft von Gottes Gnaden: ſie muß nicht vergeſ- ſen werden, und ſo kommt eine Titelreihe her- aus, die oft auch die Muͤnze beſaͤet. So mache man, wird man ſagen, dieſe zu keiner Herolds- tafel, und laſſe ſie weg! Gut, aber die laſſe man doch nicht weg, die in dieſer Situation mit zur Beſtimmung, zur hiſtoriſchen Erklaͤrung gehoͤren? Und eben dies, wie ſehr laͤufts oft ins Detail? Um nur der Nachwelt deutlich zu ſeyn, um dieſen von ſo manchen andern Fuͤrſten zu unterſcheiden — welche Unterſchiedenheit, von der ein Grieche und Roͤmer nichts wußte! Um eben dieſe und keine an- dre Denkwuͤrdigkeit der Nachwelt aus unſrer Staatsverfaſſung zu erklaͤren — welche Unter- ſchiedenheit, von der ein Grieche und Roͤmer nichts wußte. Die bloße Schuldeklamation des Hrn. Ge- E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/77
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/77>, abgerufen am 21.11.2024.