Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Kritische Wälder. etwas zu spät: Hierüber liegen schon Denkmaleund Sammlungen der Welt vor Augen, daß man sich eine Lobrede ins Allgemeine hin, ohne Bei- spiele und fast ohne Grundsätze, ersparen kann. Nichts thun, als den Geschmack der mittlern und neuen Zeiten fein lächelnd auszischen, oder an- sehnlich ausschelten -- immer auch zu spät, da schon so viele Klagen vergebens in die Winde ver- flogen sind, und selbst bessere Bemühungen nichts ausrichten können. Am besten also, weder prei- sen, noch tadeln; sondern -- erklären. Die Alten sind auch in diesem Stücke so weit vor; was hat ihnen dahin geholfen? wir ihnen so weit nach; was hält uns zurück? was hat uns so lang zurück gehalten? -- -- Auf die Weise steigt man in die Tiefen der Geschichte alter und neuer Zeiten, und kann die schwere Frage lösen: wie weit kön- nen wir ihnen auch in diesem Felde nachahmen? wo sie erreichen? wo sie übertreffen? und so wird eine Geschichte des Geschmacks auch auf Münzen für unsre Zeit pragmatisch. Da Hr. Kl. sich auf diesen schlüpfrigen Weg anti-
Kritiſche Waͤlder. etwas zu ſpaͤt: Hieruͤber liegen ſchon Denkmaleund Sammlungen der Welt vor Augen, daß man ſich eine Lobrede ins Allgemeine hin, ohne Bei- ſpiele und faſt ohne Grundſaͤtze, erſparen kann. Nichts thun, als den Geſchmack der mittlern und neuen Zeiten fein laͤchelnd ausziſchen, oder an- ſehnlich ausſchelten — immer auch zu ſpaͤt, da ſchon ſo viele Klagen vergebens in die Winde ver- flogen ſind, und ſelbſt beſſere Bemuͤhungen nichts ausrichten koͤnnen. Am beſten alſo, weder prei- ſen, noch tadeln; ſondern — erklaͤren. Die Alten ſind auch in dieſem Stuͤcke ſo weit vor; was hat ihnen dahin geholfen? wir ihnen ſo weit nach; was haͤlt uns zuruͤck? was hat uns ſo lang zuruͤck gehalten? — — Auf die Weiſe ſteigt man in die Tiefen der Geſchichte alter und neuer Zeiten, und kann die ſchwere Frage loͤſen: wie weit koͤn- nen wir ihnen auch in dieſem Felde nachahmen? wo ſie erreichen? wo ſie uͤbertreffen? und ſo wird eine Geſchichte des Geſchmacks auch auf Muͤnzen fuͤr unſre Zeit pragmatiſch. Da Hr. Kl. ſich auf dieſen ſchluͤpfrigen Weg anti-
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Kritiſche Waͤlder.
etwas zu ſpaͤt: Hieruͤber liegen ſchon Denkmale
und Sammlungen der Welt vor Augen, daß man
ſich eine Lobrede ins Allgemeine hin, ohne Bei-
ſpiele und faſt ohne Grundſaͤtze, erſparen kann.
Nichts thun, als den Geſchmack der mittlern und
neuen Zeiten fein laͤchelnd ausziſchen, oder an-
ſehnlich ausſchelten — immer auch zu ſpaͤt, da
ſchon ſo viele Klagen vergebens in die Winde ver-
flogen ſind, und ſelbſt beſſere Bemuͤhungen nichts
ausrichten koͤnnen. Am beſten alſo, weder prei-
ſen, noch tadeln; ſondern — erklaͤren. Die
Alten ſind auch in dieſem Stuͤcke ſo weit vor; was
hat ihnen dahin geholfen? wir ihnen ſo weit nach;
was haͤlt uns zuruͤck? was hat uns ſo lang zuruͤck
gehalten? — — Auf die Weiſe ſteigt man in
die Tiefen der Geſchichte alter und neuer Zeiten,
und kann die ſchwere Frage loͤſen: wie weit koͤn-
nen wir ihnen auch in dieſem Felde nachahmen?
wo ſie erreichen? wo ſie uͤbertreffen? und ſo wird
eine Geſchichte des Geſchmacks auch auf Muͤnzen
fuͤr unſre Zeit pragmatiſch.
Da Hr. Kl. ſich auf dieſen ſchluͤpfrigen Weg
nicht hat begeben wollen, und ich in allem, ohne wel-
ches ich keinen Beitrag zur Geſchichte des Ge-
ſchmacks mir denken konnte, meine Erwartung
betrogen fand, ſo entwarf ich, wie ſie mir einfie-
len, einige Linien, die wenigſtens zeigen moͤgen,
daß ich uͤber dieſe Materie geſchichtmaͤßig und
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