Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Kritische Wälder. schreiber der Deutschen nach römischer Weise ---- und eben des alles wegen sehr einseitige Schrift- steller Deutschlands. Da sie die Deutschen nur über und von den Gränzen aus, nur als Fremde, nur als ungesittete Barbaren, nur als Feinde kann- ten: so kannten sie sie nur immer, so fern sie nicht Römer waren, und das ist wenig. Wer sich nicht in die eigenthümliche Denkart eines so verschied- nen Volks versetzen, aus dem eigenthümlichen Geiste desselben, aus den Geheimnissen seiner und ihrer Er- ziehung urtheilen kann, der weiß nur immer wenig: und wer als fremder, unbekannter, politischer Feind, und was über alles ist, als Mensch einer andern Denkart schreibet, immer wenig. Er kann blos die von seinem Volke und seiner Cultur abste- hende, oder höchstens die ihnen zugekehrte Seite zeichnen, und freilich die zeichnen Römische Taciti vortreflich. Jndessen sieht man, was hier zu einer prag- So
Kritiſche Waͤlder. ſchreiber der Deutſchen nach roͤmiſcher Weiſe —— und eben des alles wegen ſehr einſeitige Schrift- ſteller Deutſchlands. Da ſie die Deutſchen nur uͤber und von den Graͤnzen aus, nur als Fremde, nur als ungeſittete Barbaren, nur als Feinde kann- ten: ſo kannten ſie ſie nur immer, ſo fern ſie nicht Roͤmer waren, und das iſt wenig. Wer ſich nicht in die eigenthuͤmliche Denkart eines ſo verſchied- nen Volks verſetzen, aus dem eigenthuͤmlichen Geiſte deſſelben, aus den Geheimniſſen ſeiner und ihrer Er- ziehung urtheilen kann, der weiß nur immer wenig: und wer als fremder, unbekannter, politiſcher Feind, und was uͤber alles iſt, als Menſch einer andern Denkart ſchreibet, immer wenig. Er kann blos die von ſeinem Volke und ſeiner Cultur abſte- hende, oder hoͤchſtens die ihnen zugekehrte Seite zeichnen, und freilich die zeichnen Roͤmiſche Taciti vortreflich. Jndeſſen ſieht man, was hier zu einer prag- So
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Kritiſche Waͤlder.
ſchreiber der Deutſchen nach roͤmiſcher Weiſe —
— und eben des alles wegen ſehr einſeitige Schrift-
ſteller Deutſchlands. Da ſie die Deutſchen nur
uͤber und von den Graͤnzen aus, nur als Fremde,
nur als ungeſittete Barbaren, nur als Feinde kann-
ten: ſo kannten ſie ſie nur immer, ſo fern ſie nicht
Roͤmer waren, und das iſt wenig. Wer ſich nicht
in die eigenthuͤmliche Denkart eines ſo verſchied-
nen Volks verſetzen, aus dem eigenthuͤmlichen Geiſte
deſſelben, aus den Geheimniſſen ſeiner und ihrer Er-
ziehung urtheilen kann, der weiß nur immer wenig:
und wer als fremder, unbekannter, politiſcher
Feind, und was uͤber alles iſt, als Menſch einer
andern Denkart ſchreibet, immer wenig. Er kann
blos die von ſeinem Volke und ſeiner Cultur abſte-
hende, oder hoͤchſtens die ihnen zugekehrte Seite
zeichnen, und freilich die zeichnen Roͤmiſche Taciti
vortreflich.
Jndeſſen ſieht man, was hier zu einer prag-
matiſchen Geſchichte fehlt? wie ſehr ſie in dieſem
verlaſſenen Anfange von der Roͤmiſchen und Grie-
chiſchen Hiſtorie, die die Origines ihres Volks, in
einlaͤndiſchen alten Schriftſtellern beſitzen, abſteche?
in welchem Geſichtspunkte man allein die Roͤmer
brauchen? auf welche Luͤcken man lieber zeigen, als
ſie hinterliſtig verbergen? kurz! daß von den alten
Deutſchen keine innere pragmatiſche Geſchichte zu
geben ſey — —
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