Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Kritische Wälder. Barbarei ist nirgends gut, und bei dem Lehrer derReligion, der uns Geschmack an den Wahrheiten derselben beibringen soll, am wenigsten; nie aber kann die Reinigkeit des Styls, die Süßigkeit der lateinischen Schreibart, nach Hr. Klotz Halbbegrif- fen in der Theologie Souveraine seyn, oder es wird noch ärger. Die Wahrheiten der Religion sind uns nicht in Cicerons Büchern von der Natur der Götter, sondern in andern Sprachen, offenbart, aus denen in ihren Vortrag bei aller einzelnen Wort- reinigkeit sich ein Orientalischer Hellenismus ein- schleichen wird, und vielleicht als Geist des Ganzen. Der gute Geßner hat mit Recht aus Cellars Lati- nitas ecclesiastica viele Barbarismen canonisirt: und der strenge Schriftausleger wird noch' weit mehr canonisiren: wo ihm an dem Ganzen, dem Unverfälschten, dem Unverworrenen des Begriffs Alles gelegen ist. Wer will nun lieber eine nach den Büchern der Offenbarung streng gesagte, un- halbirte Theologie; oder süßes lateinisches Ge- schwätz, wo das Runde des biblischen Begriffes in dem Spülwasser schöner Umschreibungen zerfließt? Wem ist nicht die Sicherheit seines theoretischen Glaubens mehr, als Alles? -- Zweytens: Aus den Händen der Exegeten, wird nun erst die Wahrheit in die Hände der Dogmatiker geliefert, denen es wie- derum Hauptgesichtspunkt ist, ihre Sätze von den Verwirrungen so vieler Jahrhunderte, von dem Ge-
Kritiſche Waͤlder. Barbarei iſt nirgends gut, und bei dem Lehrer derReligion, der uns Geſchmack an den Wahrheiten derſelben beibringen ſoll, am wenigſten; nie aber kann die Reinigkeit des Styls, die Suͤßigkeit der lateiniſchen Schreibart, nach Hr. Klotz Halbbegrif- fen in der Theologie Souveraine ſeyn, oder es wird noch aͤrger. Die Wahrheiten der Religion ſind uns nicht in Cicerons Buͤchern von der Natur der Goͤtter, ſondern in andern Sprachen, offenbart, aus denen in ihren Vortrag bei aller einzelnen Wort- reinigkeit ſich ein Orientaliſcher Hellenismus ein- ſchleichen wird, und vielleicht als Geiſt des Ganzen. Der gute Geßner hat mit Recht aus Cellars Lati- nitas eccleſiaſtica viele Barbarismen canoniſirt: und der ſtrenge Schriftausleger wird noch' weit mehr canoniſiren: wo ihm an dem Ganzen, dem Unverfaͤlſchten, dem Unverworrenen des Begriffs Alles gelegen iſt. Wer will nun lieber eine nach den Buͤchern der Offenbarung ſtreng geſagte, un- halbirte Theologie; oder ſuͤßes lateiniſches Ge- ſchwaͤtz, wo das Runde des bibliſchen Begriffes in dem Spuͤlwaſſer ſchoͤner Umſchreibungen zerfließt? Wem iſt nicht die Sicherheit ſeines theoretiſchen Glaubens mehr, als Alles? — Zweytens: Aus den Haͤnden der Exegeten, wird nun erſt die Wahrheit in die Haͤnde der Dogmatiker geliefert, denen es wie- derum Hauptgeſichtspunkt iſt, ihre Saͤtze von den Verwirrungen ſo vieler Jahrhunderte, von dem Ge-
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Kritiſche Waͤlder.
Barbarei iſt nirgends gut, und bei dem Lehrer der
Religion, der uns Geſchmack an den Wahrheiten
derſelben beibringen ſoll, am wenigſten; nie aber
kann die Reinigkeit des Styls, die Suͤßigkeit der
lateiniſchen Schreibart, nach Hr. Klotz Halbbegrif-
fen in der Theologie Souveraine ſeyn, oder es wird
noch aͤrger. Die Wahrheiten der Religion ſind
uns nicht in Cicerons Buͤchern von der Natur
der Goͤtter, ſondern in andern Sprachen, offenbart,
aus denen in ihren Vortrag bei aller einzelnen Wort-
reinigkeit ſich ein Orientaliſcher Hellenismus ein-
ſchleichen wird, und vielleicht als Geiſt des Ganzen.
Der gute Geßner hat mit Recht aus Cellars Lati-
nitas eccleſiaſtica viele Barbarismen canoniſirt:
und der ſtrenge Schriftausleger wird noch' weit
mehr canoniſiren: wo ihm an dem Ganzen, dem
Unverfaͤlſchten, dem Unverworrenen des Begriffs
Alles gelegen iſt. Wer will nun lieber eine nach
den Buͤchern der Offenbarung ſtreng geſagte, un-
halbirte Theologie; oder ſuͤßes lateiniſches Ge-
ſchwaͤtz, wo das Runde des bibliſchen Begriffes in
dem Spuͤlwaſſer ſchoͤner Umſchreibungen zerfließt?
Wem iſt nicht die Sicherheit ſeines theoretiſchen
Glaubens mehr, als Alles? — Zweytens: Aus den
Haͤnden der Exegeten, wird nun erſt die Wahrheit in
die Haͤnde der Dogmatiker geliefert, denen es wie-
derum Hauptgeſichtspunkt iſt, ihre Saͤtze von den
Verwirrungen ſo vieler Jahrhunderte, von dem
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