Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Drittes Wäldchen. der That zu loben. Wenn man einmal den unpin-darischen Begriff verbannet, der Pythische Dich- ter habe solch ein Lobgedicht auf eine Person, blos wegen dieses Sieges und weiter nichts, ma- chen wollen, wie heut zu Tage Todten - und Hoch- zeitgedichte verfertiget werden: wenn man sich in die griechischen Zeiten zurücksetzt, da der Sieger eine öffentliche Person Griechenlands, und der Sänger ein Sänger fürs Vaterland, und ein Leh- rer der Könige war: so tritt auch die gegenwär- tige Ode mit allen ihren sogenannten Ausschwei- fungen in herrliches Licht. Ein Pythischer Sieg wars: ein Delphischer Gesang sollt' es werden, und was also angemeßner, als die Stimme: aus Del- phis, o Arcesilaus, haben deine Vorfahren, und dein Anherr Battus Cyrene empfangen: Der Py- thische Apollo hat es euch gegeben. Der ganze erste Theil der Ode in aller Feier des göttlichen, des weissagenden Ursprungs ist prächtig, hat Per- sonalinteresse: Denn Arcesilaus, der aus seinem Königreiche vertrieben gewesen, tritt eben damit in den Glanz seines rechtmäßigen Ursprungs: hat Familieninteresse, denn wie viel galt bei den Griechen das Ansehen großer Väter! und wie viel mußte bei einem herabgekommenen, abgetheilten Battiaden, der Ruhm seines Urvaters, des göttli- chen Battus, gelten! -- ist Ort und Zeitmäßig: Denn der Pythische apollinarische Gesang, wovon konnte J
Drittes Waͤldchen. der That zu loben. Wenn man einmal den unpin-dariſchen Begriff verbannet, der Pythiſche Dich- ter habe ſolch ein Lobgedicht auf eine Perſon, blos wegen dieſes Sieges und weiter nichts, ma- chen wollen, wie heut zu Tage Todten - und Hoch- zeitgedichte verfertiget werden: wenn man ſich in die griechiſchen Zeiten zuruͤckſetzt, da der Sieger eine oͤffentliche Perſon Griechenlands, und der Saͤnger ein Saͤnger fuͤrs Vaterland, und ein Leh- rer der Koͤnige war: ſo tritt auch die gegenwaͤr- tige Ode mit allen ihren ſogenannten Ausſchwei- fungen in herrliches Licht. Ein Pythiſcher Sieg wars: ein Delphiſcher Geſang ſollt’ es werden, und was alſo angemeßner, als die Stimme: aus Del- phis, o Arceſilaus, haben deine Vorfahren, und dein Anherr Battus Cyrene empfangen: Der Py- thiſche Apollo hat es euch gegeben. Der ganze erſte Theil der Ode in aller Feier des goͤttlichen, des weiſſagenden Urſprungs iſt praͤchtig, hat Per- ſonalintereſſe: Denn Arceſilaus, der aus ſeinem Koͤnigreiche vertrieben geweſen, tritt eben damit in den Glanz ſeines rechtmaͤßigen Urſprungs: hat Familienintereſſe, denn wie viel galt bei den Griechen das Anſehen großer Vaͤter! und wie viel mußte bei einem herabgekommenen, abgetheilten Battiaden, der Ruhm ſeines Urvaters, des goͤttli- chen Battus, gelten! — iſt Ort und Zeitmaͤßig: Denn der Pythiſche apollinariſche Geſang, wovon konnte J
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0135" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Waͤldchen.</hi></fw><lb/> der That zu loben. Wenn man einmal den unpin-<lb/> dariſchen Begriff verbannet, der Pythiſche Dich-<lb/> ter habe ſolch ein Lobgedicht auf eine Perſon,<lb/> blos wegen dieſes Sieges und weiter nichts, ma-<lb/> chen wollen, wie heut zu Tage Todten - und Hoch-<lb/> zeitgedichte verfertiget werden: wenn man ſich in<lb/> die griechiſchen Zeiten zuruͤckſetzt, da der Sieger<lb/> eine oͤffentliche Perſon Griechenlands, und der<lb/> Saͤnger ein Saͤnger fuͤrs Vaterland, und ein Leh-<lb/> rer der Koͤnige war: ſo tritt auch die gegenwaͤr-<lb/> tige Ode mit allen ihren ſogenannten Ausſchwei-<lb/> fungen in herrliches Licht. Ein Pythiſcher Sieg<lb/> wars: ein Delphiſcher Geſang ſollt’ es werden, und<lb/> was alſo angemeßner, als die Stimme: aus Del-<lb/> phis, o Arceſilaus, haben deine Vorfahren, und<lb/> dein Anherr Battus Cyrene empfangen: Der Py-<lb/> thiſche Apollo hat es euch gegeben. Der ganze<lb/> erſte Theil der Ode in aller Feier des goͤttlichen,<lb/> des weiſſagenden Urſprungs iſt praͤchtig, hat <hi rendition="#fr">Per-<lb/> ſonalintereſſe:</hi> Denn Arceſilaus, der aus ſeinem<lb/> Koͤnigreiche vertrieben geweſen, tritt eben damit<lb/> in den Glanz ſeines rechtmaͤßigen Urſprungs: hat<lb/><hi rendition="#fr">Familienintereſſe,</hi> denn wie viel galt bei den<lb/> Griechen das Anſehen großer Vaͤter! und wie viel<lb/> mußte bei einem herabgekommenen, abgetheilten<lb/> Battiaden, der Ruhm ſeines Urvaters, des goͤttli-<lb/> chen Battus, gelten! — iſt <hi rendition="#fr">Ort und Zeitmaͤßig:</hi><lb/> Denn der Pythiſche apollinariſche Geſang, wovon<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J</fw><fw place="bottom" type="catch">konnte</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [129/0135]
Drittes Waͤldchen.
der That zu loben. Wenn man einmal den unpin-
dariſchen Begriff verbannet, der Pythiſche Dich-
ter habe ſolch ein Lobgedicht auf eine Perſon,
blos wegen dieſes Sieges und weiter nichts, ma-
chen wollen, wie heut zu Tage Todten - und Hoch-
zeitgedichte verfertiget werden: wenn man ſich in
die griechiſchen Zeiten zuruͤckſetzt, da der Sieger
eine oͤffentliche Perſon Griechenlands, und der
Saͤnger ein Saͤnger fuͤrs Vaterland, und ein Leh-
rer der Koͤnige war: ſo tritt auch die gegenwaͤr-
tige Ode mit allen ihren ſogenannten Ausſchwei-
fungen in herrliches Licht. Ein Pythiſcher Sieg
wars: ein Delphiſcher Geſang ſollt’ es werden, und
was alſo angemeßner, als die Stimme: aus Del-
phis, o Arceſilaus, haben deine Vorfahren, und
dein Anherr Battus Cyrene empfangen: Der Py-
thiſche Apollo hat es euch gegeben. Der ganze
erſte Theil der Ode in aller Feier des goͤttlichen,
des weiſſagenden Urſprungs iſt praͤchtig, hat Per-
ſonalintereſſe: Denn Arceſilaus, der aus ſeinem
Koͤnigreiche vertrieben geweſen, tritt eben damit
in den Glanz ſeines rechtmaͤßigen Urſprungs: hat
Familienintereſſe, denn wie viel galt bei den
Griechen das Anſehen großer Vaͤter! und wie viel
mußte bei einem herabgekommenen, abgetheilten
Battiaden, der Ruhm ſeines Urvaters, des goͤttli-
chen Battus, gelten! — iſt Ort und Zeitmaͤßig:
Denn der Pythiſche apollinariſche Geſang, wovon
konnte
J
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |