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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Kritische Wälder.
ein Verächter des Lebens u. s. w. wird: mit eben
dem Rechte würde ich ja einen Gleim, Wieland,
und Lessing aus ihren Gedichten zu ganz etwas an-
ders machen; und wollten das die Herren Klotz
und Harles verantworten? Ja aus Hrn. Klotzens
Gedichten selbst, wenn aus ihnen sein persönlicher
Charakter gebildet werden sollte, was würde Hr.
Kl. nicht alles seyn? Schon vor mir hats Abbt a)
bemerkt, daß sich derselbe in allen Gedichten
durchweg nicht einmal so treu bleibe, als sich je-
der Dichter, dem einmal angenommenen Charak-
ter gemäß treu bleiben sollte, und also? Wer auf
der einen Seite den Amor und die Venus singt,
und den Mond ansieht, -- der stürzt auf der fol-
genden Seite in den Feind -- und auf der dritten
hat er wider die friedlichste, und ruhigste Denkart,
die je der, bequeme, Kriegscheueste Wollüstling
haben kann -- läßt sich daraus nicht recht tapfer
charakterisiren:

Humana fortis subiiciam mihi
Magnoque spernam pectore! &c.

Und läßt sich für einen solchen Charakter nicht
nachher in der Recension der Biograph aufs wärm-
ste umarmen: In summa voluptate, quam ex
amore erga me Tuo, mi Harlesi, percipio, do-

leo
a) Jn den Litt. Br.

Kritiſche Waͤlder.
ein Veraͤchter des Lebens u. ſ. w. wird: mit eben
dem Rechte wuͤrde ich ja einen Gleim, Wieland,
und Leſſing aus ihren Gedichten zu ganz etwas an-
ders machen; und wollten das die Herren Klotz
und Harles verantworten? Ja aus Hrn. Klotzens
Gedichten ſelbſt, wenn aus ihnen ſein perſoͤnlicher
Charakter gebildet werden ſollte, was wuͤrde Hr.
Kl. nicht alles ſeyn? Schon vor mir hats Abbt a)
bemerkt, daß ſich derſelbe in allen Gedichten
durchweg nicht einmal ſo treu bleibe, als ſich je-
der Dichter, dem einmal angenommenen Charak-
ter gemaͤß treu bleiben ſollte, und alſo? Wer auf
der einen Seite den Amor und die Venus ſingt,
und den Mond anſieht, — der ſtuͤrzt auf der fol-
genden Seite in den Feind — und auf der dritten
hat er wider die friedlichſte, und ruhigſte Denkart,
die je der, bequeme, Kriegſcheueſte Wolluͤſtling
haben kann — laͤßt ſich daraus nicht recht tapfer
charakteriſiren:

Humana fortis ſubiiciam mihi
Magnoque ſpernam pectore! &c.

Und laͤßt ſich fuͤr einen ſolchen Charakter nicht
nachher in der Recenſion der Biograph aufs waͤrm-
ſte umarmen: In ſumma voluptate, quam ex
amore erga me Tuo, mi Harleſi, percipio, do-

leo
a) Jn den Litt. Br.
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[124/0130] Kritiſche Waͤlder. ein Veraͤchter des Lebens u. ſ. w. wird: mit eben dem Rechte wuͤrde ich ja einen Gleim, Wieland, und Leſſing aus ihren Gedichten zu ganz etwas an- ders machen; und wollten das die Herren Klotz und Harles verantworten? Ja aus Hrn. Klotzens Gedichten ſelbſt, wenn aus ihnen ſein perſoͤnlicher Charakter gebildet werden ſollte, was wuͤrde Hr. Kl. nicht alles ſeyn? Schon vor mir hats Abbt a) bemerkt, daß ſich derſelbe in allen Gedichten durchweg nicht einmal ſo treu bleibe, als ſich je- der Dichter, dem einmal angenommenen Charak- ter gemaͤß treu bleiben ſollte, und alſo? Wer auf der einen Seite den Amor und die Venus ſingt, und den Mond anſieht, — der ſtuͤrzt auf der fol- genden Seite in den Feind — und auf der dritten hat er wider die friedlichſte, und ruhigſte Denkart, die je der, bequeme, Kriegſcheueſte Wolluͤſtling haben kann — laͤßt ſich daraus nicht recht tapfer charakteriſiren: Humana fortis ſubiiciam mihi Magnoque ſpernam pectore! &c. Und laͤßt ſich fuͤr einen ſolchen Charakter nicht nachher in der Recenſion der Biograph aufs waͤrm- ſte umarmen: In ſumma voluptate, quam ex amore erga me Tuo, mi Harleſi, percipio, do- leo a) Jn den Litt. Br.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/130>, abgerufen am 27.11.2024.