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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Drittes Wäldchen.
"Nachdenken angenommen hatte, sondern weil er
"nach Prüfungen, deren sein großer Geist fähig war,
"sie für wahr gefunden." Welcher Parenthyrsus
von Denkungsart, den kaum ein Geschichtschrei-
ber, der sein ganzes Leben vor sich hätte, anstim-
men sollte, von Denkungsart, die kaum sein Bu-
senfreund so unwidersprechlich predigen wollte! o
was kann Hr. Kl. aus Münzen nicht alles lesen?

Nun aber die Medaillen andrer Fürsten, die
nach der Geschichte auch rechtschaffen und fromm
gewesen; ihre Münzen indessen haben nichts aus-
zeichnendes und Schautragendes von Frömmig-
keit -- was gölt'es, wenn man im Gegensatze
unsres Autors sie als Negativen charakterisirte?
Nun alte Münzen, die auch mit der Pietas pran-
gen: was gölt'es, wenn man im Tone unsres
Klotz ihre Frömmigkeit charakterisirte? Was? wenn
man allen Fürsten, die nicht wie Ernst die Mün-
zen zu Heroldstafeln ihrer Frömmigkeit gemacht,
diese und die ewige Seligkeit ab -; allein denen, die
davon auf ihren Münzen gepredigt, sie zuspräche --
Weißager! Weißager! wo kommen wir hin?

"Offenbahret sich der Geist Ludewigs des
"XIV, welcher seiner Ehrbegierde keine Gränzen
"wußte, und ihr mit Freuden Treue, Menschen-
"liebe und das Wohl seiner Länder aufopferte, nicht
"eben so deutlich auf den Münzen dieses Königs,

"als
G 5

Drittes Waͤldchen.
„Nachdenken angenommen hatte, ſondern weil er
„nach Pruͤfungen, deren ſein großer Geiſt faͤhig war,
„ſie fuͤr wahr gefunden.„ Welcher Parenthyrſus
von Denkungsart, den kaum ein Geſchichtſchrei-
ber, der ſein ganzes Leben vor ſich haͤtte, anſtim-
men ſollte, von Denkungsart, die kaum ſein Bu-
ſenfreund ſo unwiderſprechlich predigen wollte! o
was kann Hr. Kl. aus Muͤnzen nicht alles leſen?

Nun aber die Medaillen andrer Fuͤrſten, die
nach der Geſchichte auch rechtſchaffen und fromm
geweſen; ihre Muͤnzen indeſſen haben nichts aus-
zeichnendes und Schautragendes von Froͤmmig-
keit — was goͤlt’es, wenn man im Gegenſatze
unſres Autors ſie als Negativen charakteriſirte?
Nun alte Muͤnzen, die auch mit der Pietas pran-
gen: was goͤlt’es, wenn man im Tone unſres
Klotz ihre Froͤmmigkeit charakteriſirte? Was? wenn
man allen Fuͤrſten, die nicht wie Ernſt die Muͤn-
zen zu Heroldstafeln ihrer Froͤmmigkeit gemacht,
dieſe und die ewige Seligkeit ab -; allein denen, die
davon auf ihren Muͤnzen gepredigt, ſie zuſpraͤche —
Weißager! Weißager! wo kommen wir hin?

„Offenbahret ſich der Geiſt Ludewigs des
XIV, welcher ſeiner Ehrbegierde keine Graͤnzen
„wußte, und ihr mit Freuden Treue, Menſchen-
„liebe und das Wohl ſeiner Laͤnder aufopferte, nicht
„eben ſo deutlich auf den Muͤnzen dieſes Koͤnigs,

„als
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[105/0111] Drittes Waͤldchen. „Nachdenken angenommen hatte, ſondern weil er „nach Pruͤfungen, deren ſein großer Geiſt faͤhig war, „ſie fuͤr wahr gefunden.„ Welcher Parenthyrſus von Denkungsart, den kaum ein Geſchichtſchrei- ber, der ſein ganzes Leben vor ſich haͤtte, anſtim- men ſollte, von Denkungsart, die kaum ſein Bu- ſenfreund ſo unwiderſprechlich predigen wollte! o was kann Hr. Kl. aus Muͤnzen nicht alles leſen? Nun aber die Medaillen andrer Fuͤrſten, die nach der Geſchichte auch rechtſchaffen und fromm geweſen; ihre Muͤnzen indeſſen haben nichts aus- zeichnendes und Schautragendes von Froͤmmig- keit — was goͤlt’es, wenn man im Gegenſatze unſres Autors ſie als Negativen charakteriſirte? Nun alte Muͤnzen, die auch mit der Pietas pran- gen: was goͤlt’es, wenn man im Tone unſres Klotz ihre Froͤmmigkeit charakteriſirte? Was? wenn man allen Fuͤrſten, die nicht wie Ernſt die Muͤn- zen zu Heroldstafeln ihrer Froͤmmigkeit gemacht, dieſe und die ewige Seligkeit ab -; allein denen, die davon auf ihren Muͤnzen gepredigt, ſie zuſpraͤche — Weißager! Weißager! wo kommen wir hin? „Offenbahret ſich der Geiſt Ludewigs des „XIV, welcher ſeiner Ehrbegierde keine Graͤnzen „wußte, und ihr mit Freuden Treue, Menſchen- „liebe und das Wohl ſeiner Laͤnder aufopferte, nicht „eben ſo deutlich auf den Muͤnzen dieſes Koͤnigs, „als G 5

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/111>, abgerufen am 27.11.2024.