Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Kritische Wälder.
Münzen zu studiren? Welcher römische Tyrann
wäre alsdenn nicht Vater des Vaterlandes? Wel-
cher schläfrige Monarch neuerer Zeiten nicht auf
seinen Münzen thätig, tapfer, groß und edel?

Statt daß man die Wahrsagungskunst des
Hrn. Kl. aus Münzen durch einen Kontrast neuer
und alter Beispiele lächerlich machen könnte: will
ich im ganzen Buche seine Beispiele aufsuchen, da
er mit der geheimnißvollen Mine eines Weißagers
herantritt: ei doch! habe ich nicht getroffen? --
Nur ei doch! daß ich nicht lauter Meteoren von
prächtigen Perioden abschreiben müßte: "der go-
"thaische Ernst
a), welcher seinen Unterthanen da
"ein Muster gab, wo er ihnen keine Gesetze geben
"konnte, schämte sich nicht, auch auf seinen Mün-
"zen zu bekennen, daß er sich überzeugt habe,
"es sei das Glück und die Pflicht eines Fürsten, ein
"Freund und Verehrer der Religion zu seyn. Wir
"lesen auf seinen Münzen den Charakter eines Prin-
"zen, der seinen ehrwürdigen Beinamen, welchen
"der Kaiser Ludwig durch Einfalt und thörichte
"Freigebigkeit von den Mönchen erkaufen mußte,
"durch die Rechtschaffenheit seines Herzens erlangt
"hat, und dessen vortrefliche Gesinnungen desto grös-
"sere Hochachtung verdienen, da er sie nicht aus
"einer Schwachheit und einem Unvermögen im

"Nach-
a) S. 17.

Kritiſche Waͤlder.
Muͤnzen zu ſtudiren? Welcher roͤmiſche Tyrann
waͤre alsdenn nicht Vater des Vaterlandes? Wel-
cher ſchlaͤfrige Monarch neuerer Zeiten nicht auf
ſeinen Muͤnzen thaͤtig, tapfer, groß und edel?

Statt daß man die Wahrſagungskunſt des
Hrn. Kl. aus Muͤnzen durch einen Kontraſt neuer
und alter Beiſpiele laͤcherlich machen koͤnnte: will
ich im ganzen Buche ſeine Beiſpiele aufſuchen, da
er mit der geheimnißvollen Mine eines Weißagers
herantritt: ei doch! habe ich nicht getroffen? —
Nur ei doch! daß ich nicht lauter Meteoren von
praͤchtigen Perioden abſchreiben muͤßte: „der go-
„thaiſche Ernſt
a), welcher ſeinen Unterthanen da
„ein Muſter gab, wo er ihnen keine Geſetze geben
„konnte, ſchaͤmte ſich nicht, auch auf ſeinen Muͤn-
„zen zu bekennen, daß er ſich uͤberzeugt habe,
„es ſei das Gluͤck und die Pflicht eines Fuͤrſten, ein
„Freund und Verehrer der Religion zu ſeyn. Wir
„leſen auf ſeinen Muͤnzen den Charakter eines Prin-
„zen, der ſeinen ehrwuͤrdigen Beinamen, welchen
„der Kaiſer Ludwig durch Einfalt und thoͤrichte
„Freigebigkeit von den Moͤnchen erkaufen mußte,
„durch die Rechtſchaffenheit ſeines Herzens erlangt
„hat, und deſſen vortrefliche Geſinnungen deſto groͤſ-
„ſere Hochachtung verdienen, da er ſie nicht aus
„einer Schwachheit und einem Unvermoͤgen im

„Nach-
a) S. 17.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0110" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kriti&#x017F;che Wa&#x0364;lder.</hi></fw><lb/>
Mu&#x0364;nzen zu &#x017F;tudiren? Welcher ro&#x0364;mi&#x017F;che Tyrann<lb/>
wa&#x0364;re alsdenn nicht Vater des Vaterlandes? Wel-<lb/>
cher &#x017F;chla&#x0364;frige Monarch neuerer Zeiten nicht auf<lb/>
&#x017F;einen Mu&#x0364;nzen tha&#x0364;tig, tapfer, groß und edel?</p><lb/>
          <p>Statt daß man die Wahr&#x017F;agungskun&#x017F;t des<lb/>
Hrn. Kl. aus Mu&#x0364;nzen durch einen Kontra&#x017F;t neuer<lb/>
und alter Bei&#x017F;piele la&#x0364;cherlich machen ko&#x0364;nnte: will<lb/>
ich im ganzen Buche &#x017F;eine Bei&#x017F;piele auf&#x017F;uchen, da<lb/>
er mit der geheimnißvollen Mine eines Weißagers<lb/>
herantritt: ei doch! habe ich nicht getroffen? &#x2014;<lb/>
Nur ei doch! daß ich nicht lauter Meteoren von<lb/>
pra&#x0364;chtigen Perioden ab&#x017F;chreiben mu&#x0364;ßte: &#x201E;der <hi rendition="#fr">go-<lb/>
&#x201E;thai&#x017F;che Ern&#x017F;t</hi> <note place="foot" n="a)">S. 17.</note>, welcher &#x017F;einen Unterthanen da<lb/>
&#x201E;ein Mu&#x017F;ter gab, wo er ihnen keine Ge&#x017F;etze geben<lb/>
&#x201E;konnte, <hi rendition="#fr">&#x017F;cha&#x0364;mte &#x017F;ich nicht,</hi> auch auf &#x017F;einen Mu&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;zen <hi rendition="#fr">zu bekennen,</hi> daß <hi rendition="#fr">er &#x017F;ich u&#x0364;berzeugt habe,</hi><lb/>
&#x201E;es &#x017F;ei das Glu&#x0364;ck und die Pflicht eines Fu&#x0364;r&#x017F;ten, ein<lb/>
&#x201E;Freund und Verehrer der Religion zu &#x017F;eyn. Wir<lb/>
&#x201E;le&#x017F;en auf &#x017F;einen Mu&#x0364;nzen den Charakter eines Prin-<lb/>
&#x201E;zen, der &#x017F;einen ehrwu&#x0364;rdigen Beinamen, welchen<lb/>
&#x201E;der Kai&#x017F;er Ludwig durch Einfalt und tho&#x0364;richte<lb/>
&#x201E;Freigebigkeit von den Mo&#x0364;nchen erkaufen mußte,<lb/>
&#x201E;durch die Recht&#x017F;chaffenheit &#x017F;eines Herzens erlangt<lb/>
&#x201E;hat, und de&#x017F;&#x017F;en vortrefliche Ge&#x017F;innungen de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ere Hochachtung verdienen, da er &#x017F;ie nicht aus<lb/>
&#x201E;einer Schwachheit und einem Unvermo&#x0364;gen im<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Nach-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0110] Kritiſche Waͤlder. Muͤnzen zu ſtudiren? Welcher roͤmiſche Tyrann waͤre alsdenn nicht Vater des Vaterlandes? Wel- cher ſchlaͤfrige Monarch neuerer Zeiten nicht auf ſeinen Muͤnzen thaͤtig, tapfer, groß und edel? Statt daß man die Wahrſagungskunſt des Hrn. Kl. aus Muͤnzen durch einen Kontraſt neuer und alter Beiſpiele laͤcherlich machen koͤnnte: will ich im ganzen Buche ſeine Beiſpiele aufſuchen, da er mit der geheimnißvollen Mine eines Weißagers herantritt: ei doch! habe ich nicht getroffen? — Nur ei doch! daß ich nicht lauter Meteoren von praͤchtigen Perioden abſchreiben muͤßte: „der go- „thaiſche Ernſt a), welcher ſeinen Unterthanen da „ein Muſter gab, wo er ihnen keine Geſetze geben „konnte, ſchaͤmte ſich nicht, auch auf ſeinen Muͤn- „zen zu bekennen, daß er ſich uͤberzeugt habe, „es ſei das Gluͤck und die Pflicht eines Fuͤrſten, ein „Freund und Verehrer der Religion zu ſeyn. Wir „leſen auf ſeinen Muͤnzen den Charakter eines Prin- „zen, der ſeinen ehrwuͤrdigen Beinamen, welchen „der Kaiſer Ludwig durch Einfalt und thoͤrichte „Freigebigkeit von den Moͤnchen erkaufen mußte, „durch die Rechtſchaffenheit ſeines Herzens erlangt „hat, und deſſen vortrefliche Geſinnungen deſto groͤſ- „ſere Hochachtung verdienen, da er ſie nicht aus „einer Schwachheit und einem Unvermoͤgen im „Nach- a) S. 17.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/110
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/110>, abgerufen am 24.11.2024.