Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. wenn nicht etwa im Fluge, um denselben demAuge wahrscheinlich zu machen. Selbst die Grie- chen, nachdem sie die Allegorie nach und nach abge- streift hatten, in ihren schönsten und edelsten Bil- dungen, warfen dem Jupiter die Flügel ab, damit er nicht wie ein Jkaromenippus des Lucians erscheine, und gaben sie seinem Adler. Jn der That, den Allerhöchsten mit einem Paar Gänseflügeln vor mir zu sehen, ist unleidlicher, als, ihn graubärtig, und als Greis, zu erblicken. Dies giebt noch eine leidliche Allegorie von ihm, dem ewigen Vater; aber was soll jenes zu der Jdee des Allgegenwärtigen? -- "Die Griechen bildeten Jupiter auf einem mit
Zweites Waͤldchen. wenn nicht etwa im Fluge, um denſelben demAuge wahrſcheinlich zu machen. Selbſt die Grie- chen, nachdem ſie die Allegorie nach und nach abge- ſtreift hatten, in ihren ſchoͤnſten und edelſten Bil- dungen, warfen dem Jupiter die Fluͤgel ab, damit er nicht wie ein Jkaromenippus des Lucians erſcheine, und gaben ſie ſeinem Adler. Jn der That, den Allerhoͤchſten mit einem Paar Gaͤnſefluͤgeln vor mir zu ſehen, iſt unleidlicher, als, ihn graubaͤrtig, und als Greis, zu erblicken. Dies giebt noch eine leidliche Allegorie von ihm, dem ewigen Vater; aber was ſoll jenes zu der Jdee des Allgegenwaͤrtigen? — „Die Griechen bildeten Jupiter auf einem mit
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Zweites Waͤldchen.
wenn nicht etwa im Fluge, um denſelben dem
Auge wahrſcheinlich zu machen. Selbſt die Grie-
chen, nachdem ſie die Allegorie nach und nach abge-
ſtreift hatten, in ihren ſchoͤnſten und edelſten Bil-
dungen, warfen dem Jupiter die Fluͤgel ab, damit
er nicht wie ein Jkaromenippus des Lucians erſcheine,
und gaben ſie ſeinem Adler. Jn der That, den
Allerhoͤchſten mit einem Paar Gaͤnſefluͤgeln vor mir zu
ſehen, iſt unleidlicher, als, ihn graubaͤrtig, und als
Greis, zu erblicken. Dies giebt noch eine leidliche
Allegorie von ihm, dem ewigen Vater; aber was
ſoll jenes zu der Jdee des Allgegenwaͤrtigen? —
„Die Griechen bildeten Jupiter auf einem
„Donnerwagen.„ Nun hat es Hr. Michaelis
laͤngſt gezeigt, daß die Cherubim, die Donnerpfer-
de der Juden, wahrſcheinlich Geſchoͤpfe der aͤgypti-
ſchen Einbildungskraft ſind, und daß die Griechen
ihre Donnerpferde Jupiters ebenfalls daher ur-
ſpruͤnglich entlehnet: koͤnnte auch gezeigt werden.
Hier fließen alſo aus Einer Quelle zween Fluͤſſe, und
die Poeten beiderlei Religionen ſcheinen nicht anders
verſchieden zu ſeyn, als daß ſie ſich Eine Vorſtellung,
jeder nach der Art ſeiner Nation, gedacht haben.
Warum ſollte alſo der chriſtliche Kuͤnſtler nicht die-
ſe Bildung der verſchwiſterten griechiſchen Vorſtel-
lungsart ablernen? warum ſollte er nicht auch den
wahren Gott wie einen donnernden Jupiter bil-
den, der ſeinen Donnerwagen und Donnerpferde
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