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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

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Kritische Wälder.
Stralen verlieren: so sehe ich nicht, wie diese hin-
derlich wären. Bei Gestalten der Heiligen sind sie
eine einmal angenommene Symbole, und der Ge-
stalt Gottes, (wenn Gott anders menschlich gestal-
tet werden soll,) ein Zeichen der Majestät, so fern,
als der Dichter singet:

-- & avertens rosea cervice refulsit,
Ambrosiaeque comae divinum vertice odorem
Spiravere -- --

oder so fern die biblischen Dichter auch hierinn gro-
ße Gemälde vom Glanze des Herrn geben. Die-
sen kann der Dichter innerhalb der Grenzen seiner
Kunst so bescheiden folgen, als die Griechen den poe-
tischen Symbolen ihrer Religion folgten.

Ferner hat Hr. Kl. den Einfall a), auch Flü-
gel könnten aus den göttlichen Bildungen der Alten
beibehalten werden. Jch will glauben, er meine
nur etwa Engel, oder den geflügelten Blitz in der
Hand Gottes: denn der Gottheit selbst Flügel zu
geben, halte ich, (Hr. Kl. führe mir noch ein so
langes Register von Göttern an, die bekannter Wei-
se geflügelt gebildet wurden,) unserm höchsten Got-
te halte ich ein Paar Flügel ganz unwürdig. Kaum
würdig der Engel, nach den edlen Begriffen unsrer
Religion; wenn nicht, als unterscheidende Symbole,

wenn
a) p. 108. 109.

Kritiſche Waͤlder.
Stralen verlieren: ſo ſehe ich nicht, wie dieſe hin-
derlich waͤren. Bei Geſtalten der Heiligen ſind ſie
eine einmal angenommene Symbole, und der Ge-
ſtalt Gottes, (wenn Gott anders menſchlich geſtal-
tet werden ſoll,) ein Zeichen der Majeſtaͤt, ſo fern,
als der Dichter ſinget:

— & avertens roſea cervice refulſit,
Ambroſiæque comæ divinum vertice odorem
Spiravere — —

oder ſo fern die bibliſchen Dichter auch hierinn gro-
ße Gemaͤlde vom Glanze des Herrn geben. Die-
ſen kann der Dichter innerhalb der Grenzen ſeiner
Kunſt ſo beſcheiden folgen, als die Griechen den poe-
tiſchen Symbolen ihrer Religion folgten.

Ferner hat Hr. Kl. den Einfall a), auch Fluͤ-
gel koͤnnten aus den goͤttlichen Bildungen der Alten
beibehalten werden. Jch will glauben, er meine
nur etwa Engel, oder den gefluͤgelten Blitz in der
Hand Gottes: denn der Gottheit ſelbſt Fluͤgel zu
geben, halte ich, (Hr. Kl. fuͤhre mir noch ein ſo
langes Regiſter von Goͤttern an, die bekannter Wei-
ſe gefluͤgelt gebildet wurden,) unſerm hoͤchſten Got-
te halte ich ein Paar Fluͤgel ganz unwuͤrdig. Kaum
wuͤrdig der Engel, nach den edlen Begriffen unſrer
Religion; wenn nicht, als unterſcheidende Symbole,

wenn
a) p. 108. 109.
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[92/0098] Kritiſche Waͤlder. Stralen verlieren: ſo ſehe ich nicht, wie dieſe hin- derlich waͤren. Bei Geſtalten der Heiligen ſind ſie eine einmal angenommene Symbole, und der Ge- ſtalt Gottes, (wenn Gott anders menſchlich geſtal- tet werden ſoll,) ein Zeichen der Majeſtaͤt, ſo fern, als der Dichter ſinget: — & avertens roſea cervice refulſit, Ambroſiæque comæ divinum vertice odorem Spiravere — — oder ſo fern die bibliſchen Dichter auch hierinn gro- ße Gemaͤlde vom Glanze des Herrn geben. Die- ſen kann der Dichter innerhalb der Grenzen ſeiner Kunſt ſo beſcheiden folgen, als die Griechen den poe- tiſchen Symbolen ihrer Religion folgten. Ferner hat Hr. Kl. den Einfall a), auch Fluͤ- gel koͤnnten aus den goͤttlichen Bildungen der Alten beibehalten werden. Jch will glauben, er meine nur etwa Engel, oder den gefluͤgelten Blitz in der Hand Gottes: denn der Gottheit ſelbſt Fluͤgel zu geben, halte ich, (Hr. Kl. fuͤhre mir noch ein ſo langes Regiſter von Goͤttern an, die bekannter Wei- ſe gefluͤgelt gebildet wurden,) unſerm hoͤchſten Got- te halte ich ein Paar Fluͤgel ganz unwuͤrdig. Kaum wuͤrdig der Engel, nach den edlen Begriffen unſrer Religion; wenn nicht, als unterſcheidende Symbole, wenn a) p. 108. 109.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/98>, abgerufen am 22.11.2024.