Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Kritische Wälder. inn einen Milton und Klopstock hinter einen Si-lius Jtalicus und Claudian anführen; die ver- schossenen Purpurlappen aus einem Ovid und Si- lius den geistlichen Dichtern unsrer Religion, als Raritäten, als theuere Vorbilder, vorhalten darf, und in unsern heiligen Büchern, und in unsern ho- hen Nachahmern derselben, das Sonnenmeer von Majestät, den Regenbogen von prächtigen Farben nicht erblicken will, in welchem "die Größe und "Macht Gottes" gemalet wird. Jch gebe es zu, daß diese morgenländischen Bil- man
Kritiſche Waͤlder. inn einen Milton und Klopſtock hinter einen Si-lius Jtalicus und Claudian anfuͤhren; die ver- ſchoſſenen Purpurlappen aus einem Ovid und Si- lius den geiſtlichen Dichtern unſrer Religion, als Raritaͤten, als theuere Vorbilder, vorhalten darf, und in unſern heiligen Buͤchern, und in unſern ho- hen Nachahmern derſelben, das Sonnenmeer von Majeſtaͤt, den Regenbogen von praͤchtigen Farben nicht erblicken will, in welchem „die Groͤße und „Macht Gottes„ gemalet wird. Jch gebe es zu, daß dieſe morgenlaͤndiſchen Bil- man
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Kritiſche Waͤlder.
inn einen Milton und Klopſtock hinter einen Si-
lius Jtalicus und Claudian anfuͤhren; die ver-
ſchoſſenen Purpurlappen aus einem Ovid und Si-
lius den geiſtlichen Dichtern unſrer Religion, als
Raritaͤten, als theuere Vorbilder, vorhalten darf,
und in unſern heiligen Buͤchern, und in unſern ho-
hen Nachahmern derſelben, das Sonnenmeer von
Majeſtaͤt, den Regenbogen von praͤchtigen Farben
nicht erblicken will, in welchem „die Groͤße und
„Macht Gottes„ gemalet wird.
Jch gebe es zu, daß dieſe morgenlaͤndiſchen Bil-
der auch oft ein morgenlaͤndiſches Auge fodern: daß
ſie oft in einer Huͤlle des Orients erſcheinen, die uns
dieſelben fremde, oder in einem Glanze, der uns die-
ſelben betaͤubend macht. Ein geiſtlicher Dichter
aber, und der Kritikus dieſes Dichters, ſollte dem die
Huͤlle unuͤberwuͤndlich ſeyn? Sollte er nicht, den
Spuren eines großen Michaelis folgend, ſich ſol-
che Bilder gleichſam in die Sprache und Denkart
ſeines Occidents uͤberſetzen, und ſie alsdenn mit
orientaliſcher Waͤrme fuͤhlen! Die Proben, die
dieſer verdienſtvolle Mann gegeben, liegen in ihrer
Entwickelung da, und wie verſtaͤuben gegen ſie die
Schlacken eines Claudians! Blos das Leichte, das
unſrer Denkart naͤhere, die fuͤr uns faßlichere Evi-
denz dieſer roͤmiſchen Bilder iſts, die uns dieſelben
empfielt. Waͤren die orientaliſchen nach unſerm Au-
genmaaße: ſo waͤre der Vorſchlag unleidlich. Kann
man
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