Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. quando diis vinum infundit, qui claudum huncpincernam mag no risu prosequuntur? etc. Hr. Kl. gestehe bei dieser Stelle a), entweder, daß er d'Ar- genson, oder der lateinischen Uebersetzung Homers ge- folget, oder wenigstens Homer nicht in seinem gan- zen Sinne nehme. Die gemeine lateinische Ueberse- tzung freilich, die weiß von einem immenso risu exci- tato, und einem Bitaube' ists auch zu vergeben, wenn er den ganzen Himmelssaal von Gelächter der Götter über das Laufen und Rennen Vulkans er- schallen läßt: (tous les Dieux, qui le voyant s'agi- ter et courir de tous cotes, font retentir d'un ri- re eclatant la voaute celeste). Jn der Sprache Homers aber, und insonderheit in der einfältigen Sprache seines Zeitalters ist "der as[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]estos gelos, "der seligen Götter" kein unwürdiger, unanstän- diger Ausdruck: er bezeichnet die ewige Heiterkeit, die unzerstörbare Freude, die ihre Stirn wieder ein- nahm, das selige Lächeln, das bei dem Anblicke des Nektarschenkenden Gottes auf ihrem Antlitze schweb- te. Allerdings zugleich ein kleiner Zug von Lustig- keit über seine Gestalt, und daß er seine Sache so wohl gemacht, mischet sich ein; durchaus aber kein unendliches Pöbelgelächter über einen hinkenden, wackelnden Gaukler; durchaus tritt Vulkan nicht auf, einen solchen Narren vorzustellen, an dem man sich a) p. 25. C
Zweites Waͤldchen. quando diis vinum infundit, qui claudum huncpincernam mag no riſu proſequuntur? etc. Hr. Kl. geſtehe bei dieſer Stelle a), entweder, daß er d’Ar- genſon, oder der lateiniſchen Ueberſetzung Homers ge- folget, oder wenigſtens Homer nicht in ſeinem gan- zen Sinne nehme. Die gemeine lateiniſche Ueberſe- tzung freilich, die weiß von einem immenſo riſu exci- tato, und einem Bitaube’ iſts auch zu vergeben, wenn er den ganzen Himmelsſaal von Gelaͤchter der Goͤtter uͤber das Laufen und Rennen Vulkans er- ſchallen laͤßt: (tous les Dieux, qui le voyant s’agi- ter et courir de tous côtés, font retentir d’un ri- re éclatant la voûte céleſte). Jn der Sprache Homers aber, und inſonderheit in der einfaͤltigen Sprache ſeines Zeitalters iſt „der ασ[fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]εστος γελως, „der ſeligen Goͤtter„ kein unwuͤrdiger, unanſtaͤn- diger Ausdruck: er bezeichnet die ewige Heiterkeit, die unzerſtoͤrbare Freude, die ihre Stirn wieder ein- nahm, das ſelige Laͤcheln, das bei dem Anblicke des Nektarſchenkenden Gottes auf ihrem Antlitze ſchweb- te. Allerdings zugleich ein kleiner Zug von Luſtig- keit uͤber ſeine Geſtalt, und daß er ſeine Sache ſo wohl gemacht, miſchet ſich ein; durchaus aber kein unendliches Poͤbelgelaͤchter uͤber einen hinkenden, wackelnden Gaukler; durchaus tritt Vulkan nicht auf, einen ſolchen Narren vorzuſtellen, an dem man ſich a) p. 25. C
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Zweites Waͤldchen.
quando diis vinum infundit, qui claudum hunc
pincernam mag no riſu proſequuntur? etc. Hr. Kl.
geſtehe bei dieſer Stelle a), entweder, daß er d’Ar-
genſon, oder der lateiniſchen Ueberſetzung Homers ge-
folget, oder wenigſtens Homer nicht in ſeinem gan-
zen Sinne nehme. Die gemeine lateiniſche Ueberſe-
tzung freilich, die weiß von einem immenſo riſu exci-
tato, und einem Bitaube’ iſts auch zu vergeben,
wenn er den ganzen Himmelsſaal von Gelaͤchter der
Goͤtter uͤber das Laufen und Rennen Vulkans er-
ſchallen laͤßt: (tous les Dieux, qui le voyant s’agi-
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re éclatant la voûte céleſte). Jn der Sprache
Homers aber, und inſonderheit in der einfaͤltigen
Sprache ſeines Zeitalters iſt „der ασ_εστος γελως,
„der ſeligen Goͤtter„ kein unwuͤrdiger, unanſtaͤn-
diger Ausdruck: er bezeichnet die ewige Heiterkeit,
die unzerſtoͤrbare Freude, die ihre Stirn wieder ein-
nahm, das ſelige Laͤcheln, das bei dem Anblicke des
Nektarſchenkenden Gottes auf ihrem Antlitze ſchweb-
te. Allerdings zugleich ein kleiner Zug von Luſtig-
keit uͤber ſeine Geſtalt, und daß er ſeine Sache ſo
wohl gemacht, miſchet ſich ein; durchaus aber kein
unendliches Poͤbelgelaͤchter uͤber einen hinkenden,
wackelnden Gaukler; durchaus tritt Vulkan nicht
auf, einen ſolchen Narren vorzuſtellen, an dem man
ſich
a) p. 25.
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