Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Kritische Wälder.
"man alles zu seinem Tadel gesammlet, man nicht
"diesen Ort angeklaget. Jch wundre mich, daß
"sich Hr. Kl. so viel Mühe giebt, es zu untersuchen,
"woher sich alle hätten betriegen lassen, diese Stelle
"nicht zu tadeln; daß er selbst eine Gedankencita-
"tion von Vida anführet, wo dieser wohl Thersites
"könne im Sinne gehabt haben, und ---- bei allem
nicht den Franzosen, dem er, Hr. Kl. so manches
Maleranekdotchen, und zehen gegen Eins, auch die-
sen ganzen Tadel schuldig ist, den er so unerhört, so
weitläuftig, so wichtig vorzeiget. Hr. Kl. wird doch
seinen Leibautor, wenn es auf Malergeschichtchen
ankommt, den berühmten d'Argenson a), nicht ver-
kennen?

Der Franzose sagt bei Gelegenheit seines Ju-
lius Romanus,
und des lächerlichen Zwerges im
Gemälde Konstantins: "es ist wahr, daß sich eine
"solche lächerliche Figur zu einem so ernsthaften
"Gegenstande gar nicht schicket; man müßte denn
"diesen Maler mit dem Homer entschuldigen wol-
"len, der in der Jliade einen Vulkan, wor-
"über die Götter spotten, und einen von aller
"Welt verachteten Thersites
anbringt, um den
"Helden seines Gedichts einen Contrast zu geben."

Der
a) Leben der Mahler Th. I. p. 81. Eben der Tadel, nur
verändert, ist Voltären und andern Franzosen eigen,
und Hr. Lessing hat zu verschiednen malen die Sache
von der Seite des Drama in Beleuchtung genom-
men; s. Dramaturg. 1. und 2. Band hin und wieder.

Kritiſche Waͤlder.
„man alles zu ſeinem Tadel geſammlet, man nicht
„dieſen Ort angeklaget. Jch wundre mich, daß
„ſich Hr. Kl. ſo viel Muͤhe giebt, es zu unterſuchen,
„woher ſich alle haͤtten betriegen laſſen, dieſe Stelle
„nicht zu tadeln; daß er ſelbſt eine Gedankencita-
„tion von Vida anfuͤhret, wo dieſer wohl Therſites
„koͤnne im Sinne gehabt haben, und —— bei allem
nicht den Franzoſen, dem er, Hr. Kl. ſo manches
Maleranekdotchen, und zehen gegen Eins, auch die-
ſen ganzen Tadel ſchuldig iſt, den er ſo unerhoͤrt, ſo
weitlaͤuftig, ſo wichtig vorzeiget. Hr. Kl. wird doch
ſeinen Leibautor, wenn es auf Malergeſchichtchen
ankommt, den beruͤhmten d’Argenſon a), nicht ver-
kennen?

Der Franzoſe ſagt bei Gelegenheit ſeines Ju-
lius Romanus,
und des laͤcherlichen Zwerges im
Gemaͤlde Konſtantins: „es iſt wahr, daß ſich eine
„ſolche laͤcherliche Figur zu einem ſo ernſthaften
„Gegenſtande gar nicht ſchicket; man muͤßte denn
„dieſen Maler mit dem Homer entſchuldigen wol-
„len, der in der Jliade einen Vulkan, wor-
„uͤber die Goͤtter ſpotten, und einen von aller
„Welt verachteten Therſites
anbringt, um den
„Helden ſeines Gedichts einen Contraſt zu geben.„

Der
a) Leben der Mahler Th. I. p. 81. Eben der Tadel, nur
veraͤndert, iſt Voltaͤren und andern Franzoſen eigen,
und Hr. Leſſing hat zu verſchiednen malen die Sache
von der Seite des Drama in Beleuchtung genom-
men; ſ. Dramaturg. 1. und 2. Band hin und wieder.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0030" n="24"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kriti&#x017F;che Wa&#x0364;lder.</hi></fw><lb/>
&#x201E;man alles zu &#x017F;einem Tadel ge&#x017F;ammlet, man nicht<lb/>
&#x201E;die&#x017F;en Ort angeklaget. Jch wundre mich, daß<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich Hr. Kl. &#x017F;o viel Mu&#x0364;he giebt, es zu unter&#x017F;uchen,<lb/>
&#x201E;woher &#x017F;ich alle ha&#x0364;tten betriegen la&#x017F;&#x017F;en, die&#x017F;e Stelle<lb/>
&#x201E;nicht zu tadeln; daß er &#x017F;elb&#x017F;t eine Gedankencita-<lb/>
&#x201E;tion von Vida anfu&#x0364;hret, wo die&#x017F;er wohl Ther&#x017F;ites<lb/>
&#x201E;ko&#x0364;nne im Sinne gehabt haben, und &#x2014;&#x2014; bei allem<lb/>
nicht den Franzo&#x017F;en, dem er, Hr. Kl. &#x017F;o manches<lb/>
Maleranekdotchen, und zehen gegen Eins, auch die-<lb/>
&#x017F;en ganzen Tadel &#x017F;chuldig i&#x017F;t, den er &#x017F;o unerho&#x0364;rt, &#x017F;o<lb/>
weitla&#x0364;uftig, &#x017F;o wichtig vorzeiget. Hr. Kl. wird doch<lb/>
&#x017F;einen Leibautor, wenn es auf Malerge&#x017F;chichtchen<lb/>
ankommt, den beru&#x0364;hmten d&#x2019;<hi rendition="#fr">Argen&#x017F;on</hi> <note place="foot" n="a)">Leben der Mahler Th. <hi rendition="#aq">I. p.</hi> 81. Eben der Tadel, nur<lb/>
vera&#x0364;ndert, i&#x017F;t Volta&#x0364;ren und andern Franzo&#x017F;en eigen,<lb/>
und Hr. Le&#x017F;&#x017F;ing hat zu ver&#x017F;chiednen malen die Sache<lb/>
von der Seite des Drama in Beleuchtung genom-<lb/>
men; &#x017F;. Dramaturg. 1. und 2. Band hin und wieder.</note>, nicht ver-<lb/>
kennen?</p><lb/>
          <p>Der Franzo&#x017F;e &#x017F;agt bei Gelegenheit &#x017F;eines <hi rendition="#fr">Ju-<lb/>
lius Romanus,</hi> und des la&#x0364;cherlichen Zwerges im<lb/>
Gema&#x0364;lde Kon&#x017F;tantins: &#x201E;es i&#x017F;t wahr, daß &#x017F;ich eine<lb/>
&#x201E;&#x017F;olche la&#x0364;cherliche Figur zu einem &#x017F;o ern&#x017F;thaften<lb/>
&#x201E;Gegen&#x017F;tande gar nicht &#x017F;chicket; man mu&#x0364;ßte denn<lb/>
&#x201E;die&#x017F;en Maler mit dem Homer ent&#x017F;chuldigen wol-<lb/>
&#x201E;len, <hi rendition="#fr">der in der Jliade einen Vulkan, wor-<lb/>
&#x201E;u&#x0364;ber die Go&#x0364;tter &#x017F;potten, und einen von aller<lb/>
&#x201E;Welt verachteten Ther&#x017F;ites</hi> anbringt, um den<lb/>
&#x201E;Helden &#x017F;eines Gedichts einen Contra&#x017F;t zu geben.&#x201E;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0030] Kritiſche Waͤlder. „man alles zu ſeinem Tadel geſammlet, man nicht „dieſen Ort angeklaget. Jch wundre mich, daß „ſich Hr. Kl. ſo viel Muͤhe giebt, es zu unterſuchen, „woher ſich alle haͤtten betriegen laſſen, dieſe Stelle „nicht zu tadeln; daß er ſelbſt eine Gedankencita- „tion von Vida anfuͤhret, wo dieſer wohl Therſites „koͤnne im Sinne gehabt haben, und —— bei allem nicht den Franzoſen, dem er, Hr. Kl. ſo manches Maleranekdotchen, und zehen gegen Eins, auch die- ſen ganzen Tadel ſchuldig iſt, den er ſo unerhoͤrt, ſo weitlaͤuftig, ſo wichtig vorzeiget. Hr. Kl. wird doch ſeinen Leibautor, wenn es auf Malergeſchichtchen ankommt, den beruͤhmten d’Argenſon a), nicht ver- kennen? Der Franzoſe ſagt bei Gelegenheit ſeines Ju- lius Romanus, und des laͤcherlichen Zwerges im Gemaͤlde Konſtantins: „es iſt wahr, daß ſich eine „ſolche laͤcherliche Figur zu einem ſo ernſthaften „Gegenſtande gar nicht ſchicket; man muͤßte denn „dieſen Maler mit dem Homer entſchuldigen wol- „len, der in der Jliade einen Vulkan, wor- „uͤber die Goͤtter ſpotten, und einen von aller „Welt verachteten Therſites anbringt, um den „Helden ſeines Gedichts einen Contraſt zu geben.„ Der a) Leben der Mahler Th. I. p. 81. Eben der Tadel, nur veraͤndert, iſt Voltaͤren und andern Franzoſen eigen, und Hr. Leſſing hat zu verſchiednen malen die Sache von der Seite des Drama in Beleuchtung genom- men; ſ. Dramaturg. 1. und 2. Band hin und wieder.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/30
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/30>, abgerufen am 18.04.2024.