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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

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Zweites Wäldchen.
"daß er sich zu dem herab läßt, wovon ich, Chr.
"Ad. Kl.
achte, es schicke sich für die Würde,
"und den Ernst des epischen Gedichts ganz und
"gar nicht." Die erste Ursache ist unpassend: die
zweite sehr unwahrscheinlich: die dritte zweifelhaft:
und die Folge selbst, wie ich zu beweisen hoffe, falsch.

Unpassend die erste Ursache: "daß Homer
"mit nicht leichten Flecken sein Gedicht besudelt,
"weil er sich den Sitten seiner Zeit bequemt." Ho-
mer mußte sich ihnen, und der Zeit seiner Helden be-
quemen; nicht aber der Zeit der Kapuciner, oder
dem Jahrhunderte Ludwigs des vierzehenten, oder dem
kritischen Jahrhunderte, das Hr. Kl. in Deutsch-
land schaffen will. Es ist keine Sünde, zu behaup-
ten, daß Homer an dies, und an die seligen Moh-
ren in Afrika mit seinen Göttern, und mit seinem
Unanständigen gar nicht gedacht habe.

Höchst unwahrscheinlich die zweite Ursache: "Ho-
"mer habe sich zu dem herab gelassen, wovon ich halte,
"daß es sich für die Würde, und den Ernst des
"epischen Gedichts ganz und gar nicht schicke, weil
"es schwer wird, das zurück zu halten, wovon wir
"glauben, daß es dem Leser Lachen erwecken werde."
Denn wenn Hr. Kl. das Zeitalter Homers, und sei-
ner Helden kennet, wird er hoffentlich zugeben, daß
demselben nichts fremder sey, als eine Sucht des
Lächerlichen.
Die Verfasser gewisser Bibliothe-
ken mögen mit dem Marktausruffe vortreten:

Jocos
B 3

Zweites Waͤldchen.
„daß er ſich zu dem herab laͤßt, wovon ich, Chr.
„Ad. Kl.
achte, es ſchicke ſich fuͤr die Wuͤrde,
„und den Ernſt des epiſchen Gedichts ganz und
„gar nicht.„ Die erſte Urſache iſt unpaſſend: die
zweite ſehr unwahrſcheinlich: die dritte zweifelhaft:
und die Folge ſelbſt, wie ich zu beweiſen hoffe, falſch.

Unpaſſend die erſte Urſache: „daß Homer
„mit nicht leichten Flecken ſein Gedicht beſudelt,
„weil er ſich den Sitten ſeiner Zeit bequemt.„ Ho-
mer mußte ſich ihnen, und der Zeit ſeiner Helden be-
quemen; nicht aber der Zeit der Kapuciner, oder
dem Jahrhunderte Ludwigs des vierzehenten, oder dem
kritiſchen Jahrhunderte, das Hr. Kl. in Deutſch-
land ſchaffen will. Es iſt keine Suͤnde, zu behaup-
ten, daß Homer an dies, und an die ſeligen Moh-
ren in Afrika mit ſeinen Goͤttern, und mit ſeinem
Unanſtaͤndigen gar nicht gedacht habe.

Hoͤchſt unwahrſcheinlich die zweite Urſache: „Ho-
„mer habe ſich zu dem herab gelaſſen, wovon ich halte,
„daß es ſich fuͤr die Wuͤrde, und den Ernſt des
„epiſchen Gedichts ganz und gar nicht ſchicke, weil
„es ſchwer wird, das zuruͤck zu halten, wovon wir
„glauben, daß es dem Leſer Lachen erwecken werde.„
Denn wenn Hr. Kl. das Zeitalter Homers, und ſei-
ner Helden kennet, wird er hoffentlich zugeben, daß
demſelben nichts fremder ſey, als eine Sucht des
Laͤcherlichen.
Die Verfaſſer gewiſſer Bibliothe-
ken moͤgen mit dem Marktausruffe vortreten:

Jocos
B 3
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[21/0027] Zweites Waͤldchen. „daß er ſich zu dem herab laͤßt, wovon ich, Chr. „Ad. Kl. achte, es ſchicke ſich fuͤr die Wuͤrde, „und den Ernſt des epiſchen Gedichts ganz und „gar nicht.„ Die erſte Urſache iſt unpaſſend: die zweite ſehr unwahrſcheinlich: die dritte zweifelhaft: und die Folge ſelbſt, wie ich zu beweiſen hoffe, falſch. Unpaſſend die erſte Urſache: „daß Homer „mit nicht leichten Flecken ſein Gedicht beſudelt, „weil er ſich den Sitten ſeiner Zeit bequemt.„ Ho- mer mußte ſich ihnen, und der Zeit ſeiner Helden be- quemen; nicht aber der Zeit der Kapuciner, oder dem Jahrhunderte Ludwigs des vierzehenten, oder dem kritiſchen Jahrhunderte, das Hr. Kl. in Deutſch- land ſchaffen will. Es iſt keine Suͤnde, zu behaup- ten, daß Homer an dies, und an die ſeligen Moh- ren in Afrika mit ſeinen Goͤttern, und mit ſeinem Unanſtaͤndigen gar nicht gedacht habe. Hoͤchſt unwahrſcheinlich die zweite Urſache: „Ho- „mer habe ſich zu dem herab gelaſſen, wovon ich halte, „daß es ſich fuͤr die Wuͤrde, und den Ernſt des „epiſchen Gedichts ganz und gar nicht ſchicke, weil „es ſchwer wird, das zuruͤck zu halten, wovon wir „glauben, daß es dem Leſer Lachen erwecken werde.„ Denn wenn Hr. Kl. das Zeitalter Homers, und ſei- ner Helden kennet, wird er hoffentlich zugeben, daß demſelben nichts fremder ſey, als eine Sucht des Laͤcherlichen. Die Verfaſſer gewiſſer Bibliothe- ken moͤgen mit dem Marktausruffe vortreten: Jocos B 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/27>, abgerufen am 28.03.2024.