Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Wäldchen.

Dictum: Verecundiam tribui Virgilio, sed mi-
re.
a) Welche Verecundia? die persönliche oder
die schriftstellerische Verecundia des Virgils? Doch
was brauchen wir das zu wissen, über ein unbe-
stimmtes Thema läßt sich am besten rhetorisiren.
Jezt also noch

Exord. Verecundia poetae copiosius exponitur b).
Man verstehe dies copiosius nicht so, daß es be-
stimmter, reicher an Gründen heiße: Denn wie
wenig Hr. Kl. dies in seinem ganzen Libello beob-
achtet, wird der Verfolg geben. Dies Exordium
ist, wie billig ein exordium seyn muß -- ein vor-
läufiges Nichts!

Loc. commun. I. Stoicorum de turpitudine ver-
borum opinio.
c) Was soll der allgemeine Trö-
ster hier? soll man, um Schamhaftigkeit zu be-
stimmen, von Worten anfangen? von der Lehrmei-
nung einer Sekte anfangen, die nicht hieher gehört:
nicht für Virgil: nicht fürs epische Gedicht: nicht
sür Virgils Sitten -- können ausgerissene Citatio-
nen gelten, da wir was turpia verba sind? wie sie
beurtheilt werden sollen? noch nicht wissen -- noch
nicht wissen, wer Recht gehabt, od der Stoiker,
oder der Cyniker, oder der homo sui judicii, Peter
Baile,
oder der Hr. Gatakerus und Rittershusius,
und Petitus, und Balsacius, und Arnaldus, und
Bergerus, oder der kahle Ausspruch des Herrn

Klotzius
a) p. 244. 245.
b) p. 245. 246.
c) 247. 248.
L 5
Zweites Waͤldchen.

Dictum: Verecundiam tribui Virgilio, ſed mi-
re.
a) Welche Verecundia? die perſoͤnliche oder
die ſchriftſtelleriſche Verecundia des Virgils? Doch
was brauchen wir das zu wiſſen, uͤber ein unbe-
ſtimmtes Thema laͤßt ſich am beſten rhetoriſiren.
Jezt alſo noch

Exord. Verecundia poëtae copioſius exponitur b).
Man verſtehe dies copioſius nicht ſo, daß es be-
ſtimmter, reicher an Gruͤnden heiße: Denn wie
wenig Hr. Kl. dies in ſeinem ganzen Libello beob-
achtet, wird der Verfolg geben. Dies Exordium
iſt, wie billig ein exordium ſeyn muß — ein vor-
laͤufiges Nichts!

Loc. commun. I. Stoicorum de turpitudine ver-
borum opinio.
c) Was ſoll der allgemeine Troͤ-
ſter hier? ſoll man, um Schamhaftigkeit zu be-
ſtimmen, von Worten anfangen? von der Lehrmei-
nung einer Sekte anfangen, die nicht hieher gehoͤrt:
nicht fuͤr Virgil: nicht fuͤrs epiſche Gedicht: nicht
ſuͤr Virgils Sitten — koͤnnen ausgeriſſene Citatio-
nen gelten, da wir was turpia verba ſind? wie ſie
beurtheilt werden ſollen? noch nicht wiſſen — noch
nicht wiſſen, wer Recht gehabt, od der Stoiker,
oder der Cyniker, oder der homo ſui judicii, Peter
Baile,
oder der Hr. Gatakerus und Rittershuſius,
und Petitus, und Balſacius, und Arnaldus, und
Bergerus, oder der kahle Ausſpruch des Herrn

Klotzius
a) p. 244. 245.
b) p. 245. 246.
c) 247. 248.
L 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0175" n="169"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweites Wa&#x0364;ldchen.</hi> </fw><lb/>
          <p><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Dictum:</hi> Verecundiam tribui Virgilio, &#x017F;ed mi-<lb/>
re.</hi><note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 244. 245.</note> Welche <hi rendition="#aq">Verecundia?</hi> die per&#x017F;o&#x0364;nliche oder<lb/>
die &#x017F;chrift&#x017F;telleri&#x017F;che <hi rendition="#aq">Verecundia</hi> des Virgils? Doch<lb/>
was brauchen wir das zu wi&#x017F;&#x017F;en, u&#x0364;ber ein unbe-<lb/>
&#x017F;timmtes Thema la&#x0364;ßt &#x017F;ich am be&#x017F;ten rhetori&#x017F;iren.<lb/>
Jezt al&#x017F;o noch</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Exord.</hi> Verecundia poëtae copio&#x017F;ius exponitur</hi><note place="foot" n="b)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 245. 246.</note>.<lb/>
Man ver&#x017F;tehe dies <hi rendition="#aq">copio&#x017F;ius</hi> nicht &#x017F;o, daß es be-<lb/>
&#x017F;timmter, reicher an Gru&#x0364;nden heiße: Denn wie<lb/>
wenig Hr. Kl. dies in &#x017F;einem ganzen <hi rendition="#aq">Libello</hi> beob-<lb/>
achtet, wird der Verfolg geben. Dies <hi rendition="#aq">Exordium</hi><lb/>
i&#x017F;t, wie billig ein <hi rendition="#aq">exordium</hi> &#x017F;eyn muß &#x2014; ein vor-<lb/>
la&#x0364;ufiges Nichts!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Loc. commun. I.</hi> Stoicorum de turpitudine ver-<lb/>
borum opinio.</hi><note place="foot" n="c)">247. 248.</note> Was &#x017F;oll der allgemeine Tro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ter hier? &#x017F;oll man, um Schamhaftigkeit zu be-<lb/>
&#x017F;timmen, von Worten anfangen? von der Lehrmei-<lb/>
nung einer Sekte anfangen, die nicht hieher geho&#x0364;rt:<lb/>
nicht fu&#x0364;r Virgil: nicht fu&#x0364;rs epi&#x017F;che Gedicht: nicht<lb/>
&#x017F;u&#x0364;r Virgils Sitten &#x2014; ko&#x0364;nnen ausgeri&#x017F;&#x017F;ene Citatio-<lb/>
nen gelten, da wir was <hi rendition="#aq">turpia verba</hi> &#x017F;ind? wie &#x017F;ie<lb/>
beurtheilt werden &#x017F;ollen? noch nicht wi&#x017F;&#x017F;en &#x2014; noch<lb/>
nicht wi&#x017F;&#x017F;en, wer Recht gehabt, od der Stoiker,<lb/>
oder der Cyniker, oder der <hi rendition="#aq">homo &#x017F;ui judicii,</hi> <hi rendition="#fr">Peter<lb/>
Baile,</hi> oder der Hr. <hi rendition="#aq">Gatakerus</hi> und <hi rendition="#aq">Rittershu&#x017F;ius,</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">Petitus,</hi> und <hi rendition="#aq">Bal&#x017F;acius,</hi> und <hi rendition="#aq">Arnaldus,</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">Bergerus,</hi> oder der kahle Aus&#x017F;pruch des Herrn<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Klotzius</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0175] Zweites Waͤldchen. Dictum: Verecundiam tribui Virgilio, ſed mi- re. a) Welche Verecundia? die perſoͤnliche oder die ſchriftſtelleriſche Verecundia des Virgils? Doch was brauchen wir das zu wiſſen, uͤber ein unbe- ſtimmtes Thema laͤßt ſich am beſten rhetoriſiren. Jezt alſo noch Exord. Verecundia poëtae copioſius exponitur b). Man verſtehe dies copioſius nicht ſo, daß es be- ſtimmter, reicher an Gruͤnden heiße: Denn wie wenig Hr. Kl. dies in ſeinem ganzen Libello beob- achtet, wird der Verfolg geben. Dies Exordium iſt, wie billig ein exordium ſeyn muß — ein vor- laͤufiges Nichts! Loc. commun. I. Stoicorum de turpitudine ver- borum opinio. c) Was ſoll der allgemeine Troͤ- ſter hier? ſoll man, um Schamhaftigkeit zu be- ſtimmen, von Worten anfangen? von der Lehrmei- nung einer Sekte anfangen, die nicht hieher gehoͤrt: nicht fuͤr Virgil: nicht fuͤrs epiſche Gedicht: nicht ſuͤr Virgils Sitten — koͤnnen ausgeriſſene Citatio- nen gelten, da wir was turpia verba ſind? wie ſie beurtheilt werden ſollen? noch nicht wiſſen — noch nicht wiſſen, wer Recht gehabt, od der Stoiker, oder der Cyniker, oder der homo ſui judicii, Peter Baile, oder der Hr. Gatakerus und Rittershuſius, und Petitus, und Balſacius, und Arnaldus, und Bergerus, oder der kahle Ausſpruch des Herrn Klotzius a) p. 244. 245. b) p. 245. 246. c) 247. 248. L 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/175
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/175>, abgerufen am 22.11.2024.