Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. "Natur zu ziehen, damit die gar zu gemeine Be-"kanntschaft mit denselben nicht Ekel, oder zum "mindesten Gleichgültigkeit veranlasse, in Anse- "hung der Endabsichten eines Triebes, worauf die "feinsten und lebhaftesten Neigungen der mensch- "lichen Natur gepfropft sind. Diese Eigenschaft ist "dem schönen Geschlecht vorzüglich eigen, und ihm "sehr anständig. Es ist auch eine plumpe und "verächtliche Ungezogenheit, durch die Art pöbelhaf- "ter Scherze, welche man Zoten nennet, die zärt- "liche Sittsamkeit desselben in Verlegenheit oder "Unwillen zu setzen. Weil indessen, man mag "nun um das Geheimniß so weit herumgehen, als "man immer will, die Geschlechterneigung doch al- "len übrigen Reizen endlich zum Grunde liegt, und "ein Frauenzimmer, immer als ein Frauenzim- "mer der angenehme Gegenstand einer wohlgesitte- "ten Unterhaltung ist, so möchte daraus vielleicht "zu erklären seyn, warum sonst artige Mannsper- "sonen sich bisweilen die Freiheit nehmen, durch "den kleinen Muthwillen ihrer Scherze einige feine "Anspielungen durchscheinen zu lassen, welche ma- "chen, daß man sie lose oder schalkhaft nennet, "und wo, indem sie weder durch ausspähende Blicke "beleidigen, noch die Achtung zu verletzen geden- "ken, glauben, berechtigt zu seyn, die Person, die es "mit unwilliger und spröder Mine aufnimmt, eine "Ehrbarkeitspedantinn zu nennen. Jch führe "die- J 5
Zweites Waͤldchen. „Natur zu ziehen, damit die gar zu gemeine Be-„kanntſchaft mit denſelben nicht Ekel, oder zum „mindeſten Gleichguͤltigkeit veranlaſſe, in Anſe- „hung der Endabſichten eines Triebes, worauf die „feinſten und lebhafteſten Neigungen der menſch- „lichen Natur gepfropft ſind. Dieſe Eigenſchaft iſt „dem ſchoͤnen Geſchlecht vorzuͤglich eigen, und ihm „ſehr anſtaͤndig. Es iſt auch eine plumpe und „veraͤchtliche Ungezogenheit, durch die Art poͤbelhaf- „ter Scherze, welche man Zoten nennet, die zaͤrt- „liche Sittſamkeit deſſelben in Verlegenheit oder „Unwillen zu ſetzen. Weil indeſſen, man mag „nun um das Geheimniß ſo weit herumgehen, als „man immer will, die Geſchlechterneigung doch al- „len uͤbrigen Reizen endlich zum Grunde liegt, und „ein Frauenzimmer, immer als ein Frauenzim- „mer der angenehme Gegenſtand einer wohlgeſitte- „ten Unterhaltung iſt, ſo moͤchte daraus vielleicht „zu erklaͤren ſeyn, warum ſonſt artige Mannsper- „ſonen ſich bisweilen die Freiheit nehmen, durch „den kleinen Muthwillen ihrer Scherze einige feine „Anſpielungen durchſcheinen zu laſſen, welche ma- „chen, daß man ſie loſe oder ſchalkhaft nennet, „und wo, indem ſie weder durch ausſpaͤhende Blicke „beleidigen, noch die Achtung zu verletzen geden- „ken, glauben, berechtigt zu ſeyn, die Perſon, die es „mit unwilliger und ſproͤder Mine aufnimmt, eine „Ehrbarkeitspedantinn zu nennen. Jch fuͤhre „die- J 5
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Zweites Waͤldchen.
„Natur zu ziehen, damit die gar zu gemeine Be-
„kanntſchaft mit denſelben nicht Ekel, oder zum
„mindeſten Gleichguͤltigkeit veranlaſſe, in Anſe-
„hung der Endabſichten eines Triebes, worauf die
„feinſten und lebhafteſten Neigungen der menſch-
„lichen Natur gepfropft ſind. Dieſe Eigenſchaft iſt
„dem ſchoͤnen Geſchlecht vorzuͤglich eigen, und ihm
„ſehr anſtaͤndig. Es iſt auch eine plumpe und
„veraͤchtliche Ungezogenheit, durch die Art poͤbelhaf-
„ter Scherze, welche man Zoten nennet, die zaͤrt-
„liche Sittſamkeit deſſelben in Verlegenheit oder
„Unwillen zu ſetzen. Weil indeſſen, man mag
„nun um das Geheimniß ſo weit herumgehen, als
„man immer will, die Geſchlechterneigung doch al-
„len uͤbrigen Reizen endlich zum Grunde liegt, und
„ein Frauenzimmer, immer als ein Frauenzim-
„mer der angenehme Gegenſtand einer wohlgeſitte-
„ten Unterhaltung iſt, ſo moͤchte daraus vielleicht
„zu erklaͤren ſeyn, warum ſonſt artige Mannsper-
„ſonen ſich bisweilen die Freiheit nehmen, durch
„den kleinen Muthwillen ihrer Scherze einige feine
„Anſpielungen durchſcheinen zu laſſen, welche ma-
„chen, daß man ſie loſe oder ſchalkhaft nennet,
„und wo, indem ſie weder durch ausſpaͤhende Blicke
„beleidigen, noch die Achtung zu verletzen geden-
„ken, glauben, berechtigt zu ſeyn, die Perſon, die es
„mit unwilliger und ſproͤder Mine aufnimmt, eine
„Ehrbarkeitspedantinn zu nennen. Jch fuͤhre
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