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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

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Kritische Wälder.

Dies alles an seinen Ort gestellt, ist hier die
Frage: ob man bei Dichtern, als Dichtern, vor-
züglich auf Bemerkung ihrer Scham und Reinig-
keit ausgehen? ob der poetische Kunstrichter Zuerst
ein Zuchtrichter seyn solle? Und das glaube ich,
soll er, vermöge poetischer Zwecke, und des poeti-
schen Gefühls halben, nicht. Jch verstehe Hrn.
Kl. nicht, wenn er sagt a): quanta enim stultitia est,
ca de se commemorare facinora, quae si quisquam
alius a nobis patrata esse diceret, coelum commove-
remus & terram, injuriamque nobis fieri clamare-
mus, gravi poena expiandam, maculamque omni
modo delendam nostrae famae inuri? Hujus tamen
bonae famae cur ipsi negligentes sumus?
Denn
Hr. Kl. wird doch nicht die bona fama eines Poeten
für den Jnhalt halten, den er besinget? Er wird
doch nicht Lessings bona fama darnach beurtheilen,
wenn er singt:

Es donnert. Ja es donnert sehr.
Weg mit dem Weine! Was nicht trinken?
Nein, Bruder! nein! der Heuchler Heer
Mag knechtisch auf die Kniee sinken u. s. w.

Nicht seine bona fama daraus beurtheilen,
wenn er an seiner Angelika nichts auszusetzen findet,
als -- --

-- Einen
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Kritiſche Waͤlder.

Dies alles an ſeinen Ort geſtellt, iſt hier die
Frage: ob man bei Dichtern, als Dichtern, vor-
zuͤglich auf Bemerkung ihrer Scham und Reinig-
keit ausgehen? ob der poetiſche Kunſtrichter Zuerſt
ein Zuchtrichter ſeyn ſolle? Und das glaube ich,
ſoll er, vermoͤge poetiſcher Zwecke, und des poeti-
ſchen Gefuͤhls halben, nicht. Jch verſtehe Hrn.
Kl. nicht, wenn er ſagt a): quanta enim ſtultitia eſt,
ca de ſe commemorare facinora, quæ ſi quisquam
alius a nobis patrata eſſe diceret, cœlum commove-
remus & terram, injuriamque nobis fieri clamare-
mus, gravi pœna expiandam, maculamque omni
modo delendam noſtræ famæ inuri? Hujus tamen
bonæ famæ cur ipſi negligentes ſumus?
Denn
Hr. Kl. wird doch nicht die bona fama eines Poeten
fuͤr den Jnhalt halten, den er beſinget? Er wird
doch nicht Leſſings bona fama darnach beurtheilen,
wenn er ſingt:

Es donnert. Ja es donnert ſehr.
Weg mit dem Weine! Was nicht trinken?
Nein, Bruder! nein! der Heuchler Heer
Mag knechtiſch auf die Kniee ſinken u. ſ. w.

Nicht ſeine bona fama daraus beurtheilen,
wenn er an ſeiner Angelika nichts auszuſetzen findet,
als — —

— Einen
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[126/0132] Kritiſche Waͤlder. Dies alles an ſeinen Ort geſtellt, iſt hier die Frage: ob man bei Dichtern, als Dichtern, vor- zuͤglich auf Bemerkung ihrer Scham und Reinig- keit ausgehen? ob der poetiſche Kunſtrichter Zuerſt ein Zuchtrichter ſeyn ſolle? Und das glaube ich, ſoll er, vermoͤge poetiſcher Zwecke, und des poeti- ſchen Gefuͤhls halben, nicht. Jch verſtehe Hrn. Kl. nicht, wenn er ſagt a): quanta enim ſtultitia eſt, ca de ſe commemorare facinora, quæ ſi quisquam alius a nobis patrata eſſe diceret, cœlum commove- remus & terram, injuriamque nobis fieri clamare- mus, gravi pœna expiandam, maculamque omni modo delendam noſtræ famæ inuri? Hujus tamen bonæ famæ cur ipſi negligentes ſumus? Denn Hr. Kl. wird doch nicht die bona fama eines Poeten fuͤr den Jnhalt halten, den er beſinget? Er wird doch nicht Leſſings bona fama darnach beurtheilen, wenn er ſingt: Es donnert. Ja es donnert ſehr. Weg mit dem Weine! Was nicht trinken? Nein, Bruder! nein! der Heuchler Heer Mag knechtiſch auf die Kniee ſinken u. ſ. w. Nicht ſeine bona fama daraus beurtheilen, wenn er an ſeiner Angelika nichts auszuſetzen findet, als — — — Einen a) p. _49.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/132>, abgerufen am 23.11.2024.