in andern ein betäubendes, in dritten ein schmerzli- ches, unaussprechlich schmerzliches Stillschweigen; und endlich ein Zug des Erhabnen. Den letzten hat Moses Mendelssohn entwickelt, und die ersten hätte Hr. Kl. so entwickeln sollen. -- --
Das Ende der homerischen Briefe verliert sich völlig im Sande. Der Verfasser bekennet: "er "habe geschrieben, was ihm in die Gedanken, und in "die Feder gekommen, daß er ein gutes Gewissen "dem Ruhme gelehrter Verdienste vorziehe, daß ein "andrer Ausleger Homers freilich auch andre Dinge "über denselben sagen könne: Ego vero quid ha- "beo, quod me extollam? Voluntas atque ardor "nunquam defuit, sed defuere aliaa) -- --" Nur wie? wenn Hr. Kl. homerische Briefe schrei- ben wollte, warum, daß er nichts würdigers schrieb? wenn er das Andenken Homers erneuern wollte, wa- rum that er nicht, wie jener Thersagoras bei Lucian, an Homer ein Gebet, ihn würdig schreiben zu lassen? Warum übergab er der Welt seine Scherbensamm- lung von Meinungen für homerische Briefe?
Als homerische Briefe hat sein Buch, dem Jn- halte nach, der eines Theils nicht tief gnug über- dacht, andern Theils, gar zu gemein, und auf allen Scheidwegen bekannt, ist, und, dem Vortrage nach, der aus einer Parenthese von Materie, levissimus transfuga! in eine andre fällt, und keine erschöpft;
in
a)p. 282.
H 5
Zweites Waͤldchen.
in andern ein betaͤubendes, in dritten ein ſchmerzli- ches, unausſprechlich ſchmerzliches Stillſchweigen; und endlich ein Zug des Erhabnen. Den letzten hat Moſes Mendelsſohn entwickelt, und die erſten haͤtte Hr. Kl. ſo entwickeln ſollen. — —
Das Ende der homeriſchen Briefe verliert ſich voͤllig im Sande. Der Verfaſſer bekennet: „er „habe geſchrieben, was ihm in die Gedanken, und in „die Feder gekommen, daß er ein gutes Gewiſſen „dem Ruhme gelehrter Verdienſte vorziehe, daß ein „andrer Ausleger Homers freilich auch andre Dinge „uͤber denſelben ſagen koͤnne: Ego vero quid ha- „beo, quod me extollam? Voluntas atque ardor „nunquam defuit, ſed defuere aliaa) — —„ Nur wie? wenn Hr. Kl. homeriſche Briefe ſchrei- ben wollte, warum, daß er nichts wuͤrdigers ſchrieb? wenn er das Andenken Homers erneuern wollte, wa- rum that er nicht, wie jener Therſagoras bei Lucian, an Homer ein Gebet, ihn wuͤrdig ſchreiben zu laſſen? Warum uͤbergab er der Welt ſeine Scherbenſamm- lung von Meinungen fuͤr homeriſche Briefe?
Als homeriſche Briefe hat ſein Buch, dem Jn- halte nach, der eines Theils nicht tief gnug uͤber- dacht, andern Theils, gar zu gemein, und auf allen Scheidwegen bekannt, iſt, und, dem Vortrage nach, der aus einer Parentheſe von Materie, leviſſimus transfuga! in eine andre faͤllt, und keine erſchoͤpft;
in
a)p. 282.
H 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0127"n="121"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zweites Waͤldchen.</hi></fw><lb/>
in andern ein betaͤubendes, in dritten ein ſchmerzli-<lb/>
ches, unausſprechlich ſchmerzliches Stillſchweigen;<lb/>
und endlich ein Zug des Erhabnen. Den letzten<lb/>
hat Moſes Mendelsſohn entwickelt, und die erſten<lb/>
haͤtte Hr. Kl. ſo entwickeln ſollen. ——</p><lb/><p>Das Ende der homeriſchen Briefe verliert ſich<lb/>
voͤllig im Sande. Der Verfaſſer bekennet: „er<lb/>„habe geſchrieben, was ihm in die Gedanken, und in<lb/>„die Feder gekommen, daß er ein gutes Gewiſſen<lb/>„dem Ruhme gelehrter Verdienſte vorziehe, daß ein<lb/>„andrer Ausleger Homers freilich auch andre Dinge<lb/>„uͤber denſelben ſagen koͤnne: <hirendition="#aq">Ego vero quid ha-<lb/>„beo, quod me extollam? Voluntas atque ardor<lb/>„nunquam defuit, ſed defuere alia</hi><noteplace="foot"n="a)"><hirendition="#aq">p.</hi> 282.</note>——„<lb/>
Nur wie? wenn Hr. Kl. homeriſche Briefe ſchrei-<lb/>
ben wollte, warum, daß er nichts wuͤrdigers ſchrieb?<lb/>
wenn er das Andenken Homers erneuern wollte, wa-<lb/>
rum that er nicht, wie jener Therſagoras bei Lucian,<lb/>
an Homer ein Gebet, ihn wuͤrdig ſchreiben zu laſſen?<lb/>
Warum uͤbergab er der Welt ſeine Scherbenſamm-<lb/>
lung von Meinungen fuͤr homeriſche Briefe?</p><lb/><p>Als homeriſche Briefe hat ſein Buch, dem Jn-<lb/>
halte nach, der eines Theils nicht tief gnug uͤber-<lb/>
dacht, andern Theils, gar zu gemein, und auf allen<lb/>
Scheidwegen bekannt, iſt, und, dem Vortrage nach,<lb/>
der aus einer Parentheſe von Materie, <hirendition="#aq">leviſſimus<lb/>
transfuga!</hi> in eine andre faͤllt, und keine erſchoͤpft;<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">in</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[121/0127]
Zweites Waͤldchen.
in andern ein betaͤubendes, in dritten ein ſchmerzli-
ches, unausſprechlich ſchmerzliches Stillſchweigen;
und endlich ein Zug des Erhabnen. Den letzten
hat Moſes Mendelsſohn entwickelt, und die erſten
haͤtte Hr. Kl. ſo entwickeln ſollen. — —
Das Ende der homeriſchen Briefe verliert ſich
voͤllig im Sande. Der Verfaſſer bekennet: „er
„habe geſchrieben, was ihm in die Gedanken, und in
„die Feder gekommen, daß er ein gutes Gewiſſen
„dem Ruhme gelehrter Verdienſte vorziehe, daß ein
„andrer Ausleger Homers freilich auch andre Dinge
„uͤber denſelben ſagen koͤnne: Ego vero quid ha-
„beo, quod me extollam? Voluntas atque ardor
„nunquam defuit, ſed defuere alia a) — —„
Nur wie? wenn Hr. Kl. homeriſche Briefe ſchrei-
ben wollte, warum, daß er nichts wuͤrdigers ſchrieb?
wenn er das Andenken Homers erneuern wollte, wa-
rum that er nicht, wie jener Therſagoras bei Lucian,
an Homer ein Gebet, ihn wuͤrdig ſchreiben zu laſſen?
Warum uͤbergab er der Welt ſeine Scherbenſamm-
lung von Meinungen fuͤr homeriſche Briefe?
Als homeriſche Briefe hat ſein Buch, dem Jn-
halte nach, der eines Theils nicht tief gnug uͤber-
dacht, andern Theils, gar zu gemein, und auf allen
Scheidwegen bekannt, iſt, und, dem Vortrage nach,
der aus einer Parentheſe von Materie, leviſſimus
transfuga! in eine andre faͤllt, und keine erſchoͤpft;
in
a) p. 282.
H 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/127>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.