Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

Bild:
<< vorherige Seite
Erstes Wäldchen.

Was ist nun das letzte, der den Fußvölkern aus
hundert Städten gnug war?
Es sey, wie Er-
nesti
will, der den Anfall einer Armee aus hun-
dert Städten,
geschweige denn aus einer, aus-
halten könnte.
Oder wie der Scholiast will, der
die Bilder von Fußvölkern aus hundert Städ-
ten auf sich hätte eingegraben haben können:

alsdenn stimmt diese Erklärung in den Zusammen-
hang der Beschreibung von der fürchterlichen Aegis.
Oder wie andre wollen, der Helm, den die Fuß-
völker aus hundert Städten zu heben, zu tra-
gen
kaum hinreichten: diese Erklärung dünkt mir
nach dem Tone Homers die beste; denn sie giebt das
stärkste Bild von der innern Macht der Göttinn, die
sich hier in dem Tragen eines Helms, auf eine stille
erhabne Weise äußert. -- Es sei indessen welche
von diesen Erklärungen es wolle: keine ist erdacht,
um die Stelle zu lindern, sondern nur den Sinn
Homers zu erklären, und nach allen dünkt mir doch
die, obgleich uralte, die Hr. L. annimmt a): "der
"Helm, unter welchem sich so viel Streiter, als
"hundert Städte in das Feld zu stellen vermögen,
"verbergen können," diese dünkt mir unter allen die
letzte. Wo ist je ein Helm dazu gewesen, um zu
sehen, wie viel Streiter unter ihm Raum haben?
wie müssen die Helden stehen, wenn sie mit dem
Helme, wie mit einem Scheffel sollen gemessen wer-

den?
a) Laok. p. 135.
M 2
Erſtes Waͤldchen.

Was iſt nun das letzte, der den Fußvoͤlkern aus
hundert Staͤdten gnug war?
Es ſey, wie Er-
neſti
will, der den Anfall einer Armee aus hun-
dert Staͤdten,
geſchweige denn aus einer, aus-
halten koͤnnte.
Oder wie der Scholiaſt will, der
die Bilder von Fußvoͤlkern aus hundert Staͤd-
ten auf ſich haͤtte eingegraben haben koͤnnen:

alsdenn ſtimmt dieſe Erklaͤrung in den Zuſammen-
hang der Beſchreibung von der fuͤrchterlichen Aegis.
Oder wie andre wollen, der Helm, den die Fuß-
voͤlker aus hundert Staͤdten zu heben, zu tra-
gen
kaum hinreichten: dieſe Erklaͤrung duͤnkt mir
nach dem Tone Homers die beſte; denn ſie giebt das
ſtaͤrkſte Bild von der innern Macht der Goͤttinn, die
ſich hier in dem Tragen eines Helms, auf eine ſtille
erhabne Weiſe aͤußert. — Es ſei indeſſen welche
von dieſen Erklaͤrungen es wolle: keine iſt erdacht,
um die Stelle zu lindern, ſondern nur den Sinn
Homers zu erklaͤren, und nach allen duͤnkt mir doch
die, obgleich uralte, die Hr. L. annimmt a): „der
„Helm, unter welchem ſich ſo viel Streiter, als
„hundert Staͤdte in das Feld zu ſtellen vermoͤgen,
„verbergen koͤnnen,„ dieſe duͤnkt mir unter allen die
letzte. Wo iſt je ein Helm dazu geweſen, um zu
ſehen, wie viel Streiter unter ihm Raum haben?
wie muͤſſen die Helden ſtehen, wenn ſie mit dem
Helme, wie mit einem Scheffel ſollen gemeſſen wer-

den?
a) Laok. p. 135.
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0185" n="179"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Wa&#x0364;ldchen.</hi> </fw><lb/>
          <p>Was i&#x017F;t nun das letzte, <hi rendition="#fr">der den Fußvo&#x0364;lkern aus<lb/>
hundert Sta&#x0364;dten gnug war?</hi> Es &#x017F;ey, wie <hi rendition="#fr">Er-<lb/>
ne&#x017F;ti</hi> will, <hi rendition="#fr">der den Anfall einer Armee aus hun-<lb/>
dert Sta&#x0364;dten,</hi> ge&#x017F;chweige denn aus einer, <hi rendition="#fr">aus-<lb/>
halten ko&#x0364;nnte.</hi> Oder wie der <hi rendition="#fr">Scholia&#x017F;t</hi> will, der<lb/><hi rendition="#fr">die Bilder von Fußvo&#x0364;lkern aus hundert Sta&#x0364;d-<lb/>
ten auf &#x017F;ich ha&#x0364;tte eingegraben haben ko&#x0364;nnen:</hi><lb/>
alsdenn &#x017F;timmt die&#x017F;e Erkla&#x0364;rung in den Zu&#x017F;ammen-<lb/>
hang der Be&#x017F;chreibung von der fu&#x0364;rchterlichen Aegis.<lb/>
Oder wie andre wollen, <hi rendition="#fr">der Helm, den die Fuß-<lb/>
vo&#x0364;lker aus hundert Sta&#x0364;dten zu heben, zu tra-<lb/>
gen</hi> kaum <hi rendition="#fr">hinreichten:</hi> die&#x017F;e Erkla&#x0364;rung du&#x0364;nkt mir<lb/>
nach dem Tone Homers die be&#x017F;te; denn &#x017F;ie giebt das<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te Bild von der innern Macht der Go&#x0364;ttinn, die<lb/>
&#x017F;ich hier in dem Tragen eines Helms, auf eine &#x017F;tille<lb/>
erhabne Wei&#x017F;e a&#x0364;ußert. &#x2014; Es &#x017F;ei inde&#x017F;&#x017F;en welche<lb/>
von die&#x017F;en Erkla&#x0364;rungen es wolle: keine i&#x017F;t erdacht,<lb/>
um die Stelle zu lindern, &#x017F;ondern nur den Sinn<lb/>
Homers zu erkla&#x0364;ren, und nach allen du&#x0364;nkt mir doch<lb/>
die, obgleich uralte, die Hr. L. annimmt <note place="foot" n="a)">Laok. <hi rendition="#aq">p.</hi> 135.</note>: &#x201E;der<lb/>
&#x201E;Helm, unter welchem &#x017F;ich &#x017F;o viel Streiter, als<lb/>
&#x201E;hundert Sta&#x0364;dte in das Feld zu &#x017F;tellen vermo&#x0364;gen,<lb/>
&#x201E;verbergen ko&#x0364;nnen,&#x201E; die&#x017F;e du&#x0364;nkt mir unter allen die<lb/>
letzte. Wo i&#x017F;t je ein Helm dazu gewe&#x017F;en, um zu<lb/>
&#x017F;ehen, wie viel Streiter unter ihm Raum haben?<lb/>
wie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Helden &#x017F;tehen, wenn &#x017F;ie mit dem<lb/>
Helme, wie mit einem Scheffel &#x017F;ollen geme&#x017F;&#x017F;en wer-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><fw place="bottom" type="catch">den?</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0185] Erſtes Waͤldchen. Was iſt nun das letzte, der den Fußvoͤlkern aus hundert Staͤdten gnug war? Es ſey, wie Er- neſti will, der den Anfall einer Armee aus hun- dert Staͤdten, geſchweige denn aus einer, aus- halten koͤnnte. Oder wie der Scholiaſt will, der die Bilder von Fußvoͤlkern aus hundert Staͤd- ten auf ſich haͤtte eingegraben haben koͤnnen: alsdenn ſtimmt dieſe Erklaͤrung in den Zuſammen- hang der Beſchreibung von der fuͤrchterlichen Aegis. Oder wie andre wollen, der Helm, den die Fuß- voͤlker aus hundert Staͤdten zu heben, zu tra- gen kaum hinreichten: dieſe Erklaͤrung duͤnkt mir nach dem Tone Homers die beſte; denn ſie giebt das ſtaͤrkſte Bild von der innern Macht der Goͤttinn, die ſich hier in dem Tragen eines Helms, auf eine ſtille erhabne Weiſe aͤußert. — Es ſei indeſſen welche von dieſen Erklaͤrungen es wolle: keine iſt erdacht, um die Stelle zu lindern, ſondern nur den Sinn Homers zu erklaͤren, und nach allen duͤnkt mir doch die, obgleich uralte, die Hr. L. annimmt a): „der „Helm, unter welchem ſich ſo viel Streiter, als „hundert Staͤdte in das Feld zu ſtellen vermoͤgen, „verbergen koͤnnen,„ dieſe duͤnkt mir unter allen die letzte. Wo iſt je ein Helm dazu geweſen, um zu ſehen, wie viel Streiter unter ihm Raum haben? wie muͤſſen die Helden ſtehen, wenn ſie mit dem Helme, wie mit einem Scheffel ſollen gemeſſen wer- den? a) Laok. p. 135. M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/185
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/185>, abgerufen am 23.11.2024.