Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Kritische Wälder.
die Gebete u. s. w. zu allegorisiren, die also aus ih-
rem Munde, nicht aber eigentlich aus seiner Schö-
pferhand kamen, die also gesprochen und gedacht,
nicht aber dichterisch gebildet, gleichsam im Gedichte
gesehen werden sollten. Aber auch selbst da sucht er
sie, wo er kann, in das Licht eines bestehenden We-
sens zu kleiden; er flicht sie in die Genealogie der
Götter; er giebt ihnen einen historischen Zug zu: er
malt das Allegorische nicht aus mit Prädikaten,
sondern läßt es kaum durch den Namen, durch die
historischen Züge, durch die dichterischen Attribute
durchblicken. So wenig ists bei Homer Haupt-
zweck zu allegorisiren, und am mindesten zu allego-
risiren für Künstler. -- --

Hier Winkelmanns Werk von der Allegorie:
ich bleibe aber bei zween andern Gefährten auf dem
Wege: wie der Künstler den Dichter, insonderheit
der griechische Künstler Homer nachahmen könne?
Diese Gefährten sind Caylus und Lessing.

13.

Und dünke mich jetzt im besten Theile a) des
lessingschen Werks, wo es die Vorschriften des
Grafen einschränkt, wo es die Art der Vorstellung
Homers, und eines Künstlers unterscheidet, wo es

ein
78. &c. Phönix Rede von den Gebeten Iliad. I. v. 498.
a) p. 119. -- 149.

Kritiſche Waͤlder.
die Gebete u. ſ. w. zu allegoriſiren, die alſo aus ih-
rem Munde, nicht aber eigentlich aus ſeiner Schoͤ-
pferhand kamen, die alſo geſprochen und gedacht,
nicht aber dichteriſch gebildet, gleichſam im Gedichte
geſehen werden ſollten. Aber auch ſelbſt da ſucht er
ſie, wo er kann, in das Licht eines beſtehenden We-
ſens zu kleiden; er flicht ſie in die Genealogie der
Goͤtter; er giebt ihnen einen hiſtoriſchen Zug zu: er
malt das Allegoriſche nicht aus mit Praͤdikaten,
ſondern laͤßt es kaum durch den Namen, durch die
hiſtoriſchen Zuͤge, durch die dichteriſchen Attribute
durchblicken. So wenig iſts bei Homer Haupt-
zweck zu allegoriſiren, und am mindeſten zu allego-
riſiren fuͤr Kuͤnſtler. — —

Hier Winkelmanns Werk von der Allegorie:
ich bleibe aber bei zween andern Gefaͤhrten auf dem
Wege: wie der Kuͤnſtler den Dichter, inſonderheit
der griechiſche Kuͤnſtler Homer nachahmen koͤnne?
Dieſe Gefaͤhrten ſind Caylus und Leſſing.

13.

Und duͤnke mich jetzt im beſten Theile a) des
leſſingſchen Werks, wo es die Vorſchriften des
Grafen einſchraͤnkt, wo es die Art der Vorſtellung
Homers, und eines Kuͤnſtlers unterſcheidet, wo es

ein
78. &c. Phoͤnix Rede von den Gebeten Iliad. Ι. v. 498.
a) p. 119. — 149.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0158" n="152"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kriti&#x017F;che Wa&#x0364;lder.</hi></fw><lb/>
die <hi rendition="#fr">Gebete</hi> u. &#x017F;. w. zu allegori&#x017F;iren, die al&#x017F;o aus ih-<lb/>
rem Munde, nicht aber eigentlich aus &#x017F;einer Scho&#x0364;-<lb/>
pferhand kamen, die al&#x017F;o ge&#x017F;prochen und gedacht,<lb/>
nicht aber dichteri&#x017F;ch gebildet, gleich&#x017F;am im Gedichte<lb/>
ge&#x017F;ehen werden &#x017F;ollten. Aber auch &#x017F;elb&#x017F;t da &#x017F;ucht er<lb/>
&#x017F;ie, wo er kann, in das Licht eines be&#x017F;tehenden We-<lb/>
&#x017F;ens zu kleiden; er flicht &#x017F;ie in die Genealogie der<lb/>
Go&#x0364;tter; er giebt ihnen einen hi&#x017F;tori&#x017F;chen Zug zu: er<lb/>
malt das Allegori&#x017F;che nicht aus mit Pra&#x0364;dikaten,<lb/>
&#x017F;ondern la&#x0364;ßt es kaum durch den Namen, durch die<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;chen Zu&#x0364;ge, durch die dichteri&#x017F;chen Attribute<lb/><hi rendition="#fr">durchblicken.</hi> So wenig i&#x017F;ts bei Homer Haupt-<lb/>
zweck zu allegori&#x017F;iren, und am minde&#x017F;ten zu allego-<lb/>
ri&#x017F;iren fu&#x0364;r Ku&#x0364;n&#x017F;tler. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Hier Winkelmanns Werk von der Allegorie:<lb/>
ich bleibe aber bei zween andern Gefa&#x0364;hrten auf dem<lb/>
Wege: wie der Ku&#x0364;n&#x017F;tler den Dichter, in&#x017F;onderheit<lb/>
der griechi&#x017F;che Ku&#x0364;n&#x017F;tler Homer nachahmen ko&#x0364;nne?<lb/>
Die&#x017F;e Gefa&#x0364;hrten &#x017F;ind <hi rendition="#fr">Caylus</hi> und <hi rendition="#fr">Le&#x017F;&#x017F;ing.</hi></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>13.</head><lb/>
          <p>Und du&#x0364;nke mich jetzt im be&#x017F;ten Theile <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 119. &#x2014; 149.</note> des<lb/>
le&#x017F;&#x017F;ing&#x017F;chen Werks, wo es die Vor&#x017F;chriften des<lb/>
Grafen ein&#x017F;chra&#x0364;nkt, wo es die Art der Vor&#x017F;tellung<lb/>
Homers, und eines Ku&#x0364;n&#x017F;tlers unter&#x017F;cheidet, wo es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/><note xml:id="f04" prev="#f03" place="foot">78. <hi rendition="#aq">&amp;c.</hi> <hi rendition="#fr">Pho&#x0364;nix</hi> Rede von den Gebeten <hi rendition="#aq">Iliad.</hi> &#x0399;. <hi rendition="#aq">v.</hi> 498.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0158] Kritiſche Waͤlder. die Gebete u. ſ. w. zu allegoriſiren, die alſo aus ih- rem Munde, nicht aber eigentlich aus ſeiner Schoͤ- pferhand kamen, die alſo geſprochen und gedacht, nicht aber dichteriſch gebildet, gleichſam im Gedichte geſehen werden ſollten. Aber auch ſelbſt da ſucht er ſie, wo er kann, in das Licht eines beſtehenden We- ſens zu kleiden; er flicht ſie in die Genealogie der Goͤtter; er giebt ihnen einen hiſtoriſchen Zug zu: er malt das Allegoriſche nicht aus mit Praͤdikaten, ſondern laͤßt es kaum durch den Namen, durch die hiſtoriſchen Zuͤge, durch die dichteriſchen Attribute durchblicken. So wenig iſts bei Homer Haupt- zweck zu allegoriſiren, und am mindeſten zu allego- riſiren fuͤr Kuͤnſtler. — — Hier Winkelmanns Werk von der Allegorie: ich bleibe aber bei zween andern Gefaͤhrten auf dem Wege: wie der Kuͤnſtler den Dichter, inſonderheit der griechiſche Kuͤnſtler Homer nachahmen koͤnne? Dieſe Gefaͤhrten ſind Caylus und Leſſing. 13. Und duͤnke mich jetzt im beſten Theile a) des leſſingſchen Werks, wo es die Vorſchriften des Grafen einſchraͤnkt, wo es die Art der Vorſtellung Homers, und eines Kuͤnſtlers unterſcheidet, wo es ein a) p. 119. — 149. 78. &c. Phoͤnix Rede von den Gebeten Iliad. Ι. v. 498.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/158
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/158>, abgerufen am 21.11.2024.