[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Kritische Wälder. noch minder bloß "erhabne Züge fürs Gehör",sondern ein Bild in die Seele malet. Jch weiß nicht, wie Hr. L. sich im Lobe Virgils so lange a) bei den Nebenzügen, "Windungen der Schlangen" u. s. w. aufhält, die bei dem Maler und Bildhauer, ge- wiß aber nicht bei dem Dichter, weites Lob verdie- nen. Ja wenn Virgil zum Vorbilde eines Künst- lers gearbeitet hätte! Jst das aber nicht wider den Zweck des ganzen Lessingschen Werkes? Und was er gegen Virgil zu nachsehend ist: mit a) Laok. p. 59-66. b) Laok. p. 54. 55.
Kritiſche Waͤlder. noch minder bloß „erhabne Zuͤge fuͤrs Gehoͤr„,ſondern ein Bild in die Seele malet. Jch weiß nicht, wie Hr. L. ſich im Lobe Virgils ſo lange a) bei den Nebenzuͤgen, „Windungen der Schlangen„ u. ſ. w. aufhaͤlt, die bei dem Maler und Bildhauer, ge- wiß aber nicht bei dem Dichter, weites Lob verdie- nen. Ja wenn Virgil zum Vorbilde eines Kuͤnſt- lers gearbeitet haͤtte! Jſt das aber nicht wider den Zweck des ganzen Leſſingſchen Werkes? Und was er gegen Virgil zu nachſehend iſt: mit a) Laok. p. 59-66. b) Laok. p. 54. 55.
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Kritiſche Waͤlder.
noch minder bloß „erhabne Zuͤge fuͤrs Gehoͤr„,
ſondern ein Bild in die Seele malet. Jch weiß
nicht, wie Hr. L. ſich im Lobe Virgils ſo lange a) bei
den Nebenzuͤgen, „Windungen der Schlangen„ u.
ſ. w. aufhaͤlt, die bei dem Maler und Bildhauer, ge-
wiß aber nicht bei dem Dichter, weites Lob verdie-
nen. Ja wenn Virgil zum Vorbilde eines Kuͤnſt-
lers gearbeitet haͤtte! Jſt das aber nicht wider den
Zweck des ganzen Leſſingſchen Werkes?
Und was er gegen Virgil zu nachſehend iſt:
wird er gegen Petron zu ſtrenge b), da ſich doch die
meiſten dieſer Vorwuͤrfe ſicherer auf Virgil gegen
Homer, als auf Petron gegen Virgil betrachtet, deu-
ten ließen. Jch weiß Petrons gezwungene Art zu
dichten, und geſtehe gern zu, daß aus ſeiner Be-
ſchreibung Laokoons kein Funke poetiſches Genies
hervorblitze: muß aber darum das Gemaͤlde, das
er beſchreiben will, muß die ganze Gallerie von Ge-
maͤlden zu Neapel nur in ſeiner Einbildungskraft
exiſtirt haben? Warum das? Etwa weil ein Ro-
manſchreiber kein Hiſtorikus ſeyn darf? ſeyn darf!
freilich nicht; aber auch nicht, daß ers nicht ſeyn
muͤßte; nicht ſeyn koͤnnte? zumal die ſchlechten Ro-
manſchreiber. Sie erſetzen uns das durch einge-
ſchaltete Geſchichte, was ihre Phantaſie bruͤchig
laͤßt: ſie liefern uns halbhiſtoriſche Romane, oder
romanhafte Halbgeſchichte: der Abt Terraſſon,
mit
a) Laok. p. 59-66.
b) Laok. p. 54. 55.
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