Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.Erwiedert er: "mir fehlt, o Vater, nichts. "Freund, Die Deinigen sind jetzt im Himmel, sprach ich: Jedoch die Taufe soll Dir werden." -- Sehnlich Erfreut' er sich; es ward der Tag bestimmt, Johannis Tag. Zehn Uhr am Morgen ward er Getauft; er war so heiter, war so froh! Am Abend, ohne Krankheit, ohne Schmerzen War er entschlafen. -- So erzählt der Priester, Und lässet jeden denken, was er mag. Ich denke: "guter Vater, warum ließest Erwiedert er: „mir fehlt, o Vater, nichts. „Freund, Die Deinigen ſind jetzt im Himmel, ſprach ich: Jedoch die Taufe ſoll Dir werden.“ — Sehnlich Erfreut' er ſich; es ward der Tag beſtimmt, Johannis Tag. Zehn Uhr am Morgen ward er Getauft; er war ſo heiter, war ſo froh! Am Abend, ohne Krankheit, ohne Schmerzen War er entſchlafen. — So erzaͤhlt der Prieſter, Und laͤſſet jeden denken, was er mag. Ich denke: „guter Vater, warum ließeſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="7"> <pb facs="#f0097" n="90"/> <l>Erwiedert er: „mir fehlt, o Vater, nichts.</l><lb/> <l>Ich kenne keine Schmerzen; aber ſchlafen</l><lb/> <l>Kann ich nicht mehr: denn alle Naͤchte ſind</l><lb/> <l>Die Meinigen um mich und ſprechen flehend:</l><lb/> <l>„Ich bitte, laß dich taufen: denn wir holen</l><lb/> <l>Dich bald und unvermuthet ab, o Sohn,</l><lb/> <l>O Bruder, in die gruͤnen Schatten.“ —</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>„Freund,</l><lb/> <l>Die Deinigen ſind jetzt im Himmel, ſprach ich:</l><lb/> <l>Jedoch die Taufe ſoll Dir werden.“ —</l><lb/> <l>Sehnlich</l><lb/> <l>Erfreut' er ſich; es ward der Tag beſtimmt,</l><lb/> <l>Johannis Tag. Zehn Uhr am Morgen ward er</l><lb/> <l>Getauft; er war ſo heiter, war ſo froh!</l><lb/> <l>Am Abend, ohne Krankheit, ohne Schmerzen</l><lb/> <l>War er entſchlafen. —</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg n="9"> <l>So erzaͤhlt der Prieſter,</l><lb/> <l>Und laͤſſet jeden denken, was er mag.</l><lb/> <l>Ich denke: „guter Vater, warum ließeſt</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [90/0097]
Erwiedert er: „mir fehlt, o Vater, nichts.
Ich kenne keine Schmerzen; aber ſchlafen
Kann ich nicht mehr: denn alle Naͤchte ſind
Die Meinigen um mich und ſprechen flehend:
„Ich bitte, laß dich taufen: denn wir holen
Dich bald und unvermuthet ab, o Sohn,
O Bruder, in die gruͤnen Schatten.“ —
„Freund,
Die Deinigen ſind jetzt im Himmel, ſprach ich:
Jedoch die Taufe ſoll Dir werden.“ —
Sehnlich
Erfreut' er ſich; es ward der Tag beſtimmt,
Johannis Tag. Zehn Uhr am Morgen ward er
Getauft; er war ſo heiter, war ſo froh!
Am Abend, ohne Krankheit, ohne Schmerzen
War er entſchlafen. —
So erzaͤhlt der Prieſter,
Und laͤſſet jeden denken, was er mag.
Ich denke: „guter Vater, warum ließeſt
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Zitationshilfe: | Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/97>, abgerufen am 16.02.2025. |