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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.

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Abzeichen, daß die Glückseligkeit Aller von
den Bestrebungen Aller abhängt und in
ihm bei der größesten Verschiedenheit in
dieser sehr erhabnen Einheit allein
statt finde. Wir können nicht glücklich
oder ganz würdig und moralisch-gut seyn,
so lange z. B. Ein Sklave durch Schuld
der Menschen unglücklich ist: denn die
Laster und böse Gewohnheiten, die ihn un-
glücklich machen, wirken auch auf uns
oder kommen von uns her. Die Anmaas-
sung, der Geiz, die Weichlichkeit, die alle
Welttheile betrügt und verwüstet, haben
ihren Sitz bei und in uns; es ist die-
selbe Herzlosigkeit, die Europa wie Ame-
rika unter dem Joch hält. Dagegen auch
jede gute Empfindung und Uebung eines
Menschen auf alle Welttheile wirket. Die
Tendenz der Menschennatur fasset
ein Universum in sich, dessen Aufschrift

ist:

Abzeichen, daß die Gluͤckſeligkeit Aller von
den Beſtrebungen Aller abhaͤngt und in
ihm bei der groͤßeſten Verſchiedenheit in
dieſer ſehr erhabnen Einheit allein
ſtatt finde. Wir koͤnnen nicht gluͤcklich
oder ganz wuͤrdig und moraliſch-gut ſeyn,
ſo lange z. B. Ein Sklave durch Schuld
der Menſchen ungluͤcklich iſt: denn die
Laſter und boͤſe Gewohnheiten, die ihn un-
gluͤcklich machen, wirken auch auf uns
oder kommen von uns her. Die Anmaaſ-
ſung, der Geiz, die Weichlichkeit, die alle
Welttheile betruͤgt und verwuͤſtet, haben
ihren Sitz bei und in uns; es iſt die-
ſelbe Herzloſigkeit, die Europa wie Ame-
rika unter dem Joch haͤlt. Dagegen auch
jede gute Empfindung und Uebung eines
Menſchen auf alle Welttheile wirket. Die
Tendenz der Menſchennatur faſſet
ein Univerſum in ſich, deſſen Aufſchrift

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[208/0215] Abzeichen, daß die Gluͤckſeligkeit Aller von den Beſtrebungen Aller abhaͤngt und in ihm bei der groͤßeſten Verſchiedenheit in dieſer ſehr erhabnen Einheit allein ſtatt finde. Wir koͤnnen nicht gluͤcklich oder ganz wuͤrdig und moraliſch-gut ſeyn, ſo lange z. B. Ein Sklave durch Schuld der Menſchen ungluͤcklich iſt: denn die Laſter und boͤſe Gewohnheiten, die ihn un- gluͤcklich machen, wirken auch auf uns oder kommen von uns her. Die Anmaaſ- ſung, der Geiz, die Weichlichkeit, die alle Welttheile betruͤgt und verwuͤſtet, haben ihren Sitz bei und in uns; es iſt die- ſelbe Herzloſigkeit, die Europa wie Ame- rika unter dem Joch haͤlt. Dagegen auch jede gute Empfindung und Uebung eines Menſchen auf alle Welttheile wirket. Die Tendenz der Menſchennatur faſſet ein Univerſum in ſich, deſſen Aufſchrift iſt:

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/215>, abgerufen am 22.11.2024.