Sprache, für jede Literatur misgebildete Schiefheit und Unform, bringt zu unsern Schriftstellern eine Grundlage von Pedante- rei, die ein wahrer Antipode von aller Deli- catesse des wahren Französischen Geschmacks ist. Oder sie bringen einen Leichtsinn zu ih- nen, der nur den Namen des schlechtesten, ei- nes falschen Französischen Geschmacks verdie- net. Wissen sie nur einmal, was es sei, gute Schriftsteller lesen? Wissen sie, daß es nicht zu viel ist, sie zehn, zwanzig, dreißig mal mit Geschmack, mit Fleiß und Anstrengung lesen, um sie zu verdauen, um ihren Inhalt in Blut und Saft zu verwandeln? Nichts we- niger, als dieses. Eine einmalige flüchtige Lectur, und wessen? einer kleinen Zahl von Werken, die den meisten Ruf, die man sich rühmen will gelesen zu haben; ein Zwanzig vielleicht, von denen ihnen nichts blieb, selbst die bekanntsten Anspielungen nicht, die in der Gesellschaft oder in den Schrift-
Sprache, fuͤr jede Literatur misgebildete Schiefheit und Unform, bringt zu unſern Schriftſtellern eine Grundlage von Pedante- rei, die ein wahrer Antipode von aller Deli- cateſſe des wahren Franzoͤſiſchen Geſchmacks iſt. Oder ſie bringen einen Leichtſinn zu ih- nen, der nur den Namen des ſchlechteſten, ei- nes falſchen Franzoͤſiſchen Geſchmacks verdie- net. Wiſſen ſie nur einmal, was es ſei, gute Schriftſteller leſen? Wiſſen ſie, daß es nicht zu viel iſt, ſie zehn, zwanzig, dreißig mal mit Geſchmack, mit Fleiß und Anſtrengung leſen, um ſie zu verdauen, um ihren Inhalt in Blut und Saft zu verwandeln? Nichts we- niger, als dieſes. Eine einmalige fluͤchtige Lectur, und weſſen? einer kleinen Zahl von Werken, die den meiſten Ruf, die man ſich ruͤhmen will geleſen zu haben; ein Zwanzig vielleicht, von denen ihnen nichts blieb, ſelbſt die bekanntſten Anſpielungen nicht, die in der Geſellſchaft oder in den Schrift-
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Sprache, fuͤr jede Literatur misgebildete
Schiefheit und Unform, bringt zu unſern
Schriftſtellern eine Grundlage von Pedante-
rei, die ein wahrer Antipode von aller Deli-
cateſſe des wahren Franzoͤſiſchen Geſchmacks
iſt. Oder ſie bringen einen Leichtſinn zu ih-
nen, der nur den Namen des ſchlechteſten, ei-
nes falſchen Franzoͤſiſchen Geſchmacks verdie-
net. Wiſſen ſie nur einmal, was es ſei, gute
Schriftſteller leſen? Wiſſen ſie, daß es nicht
zu viel iſt, ſie zehn, zwanzig, dreißig mal mit
Geſchmack, mit Fleiß und Anſtrengung leſen,
um ſie zu verdauen, um ihren Inhalt in
Blut und Saft zu verwandeln? Nichts we-
niger, als dieſes. Eine einmalige fluͤchtige
Lectur, und weſſen? einer kleinen Zahl
von Werken, die den meiſten Ruf, die
man ſich ruͤhmen will geleſen zu haben; ein
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/43>, abgerufen am 27.07.2024.
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