Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.Erwartungen getäuscht werden, auch ein we- Der Stufen sind viel, die eine werden- Alles kann folglich nicht auf einmal ge- Erwartungen getaͤuſcht werden, auch ein we- Der Stufen ſind viel, die eine werden- Alles kann folglich nicht auf einmal ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="93"/> Erwartungen getaͤuſcht werden, auch ein we-<lb/> nig mit ſich ſelbſt zu Rathe gehe, von wel-<lb/> cher Art ſeine Erwartungen geweſen. Nicht<lb/> jeder Liebhaber iſt Kenner; nicht jeder, der die<lb/> Schoͤnheiten Eines Stuͤcks, das richtige Spiel<lb/> Eines Akteurs empfindet, kann darum auch<lb/> den Werth aller andern ſchaͤtzen. Man hat<lb/> keinen Geſchmack, wenn man nur einen ein-<lb/> ſeitigen Geſchmack hat; aber oft iſt man de-<lb/> ſto partheiiſcher. Der wahre Geſchmack iſt<lb/> der allgemeine, der ſich uͤber Schoͤnheiten von<lb/> jeder Art verbreitet, aber von keiner mehr<lb/> Vergnuͤgen und Entzuͤcken erwartet, als ſie<lb/> nach ihrer Art gewaͤhren kann.</p><lb/> <p>Der Stufen ſind viel, die eine <hi rendition="#g">werden</hi>-<lb/><hi rendition="#g">de</hi> Buͤhne bis zum Gipfel der Vollkommen-<lb/> heit zu durchſteigen hat; aber eine <hi rendition="#g">verderb</hi>-<lb/><hi rendition="#g">te</hi> Buͤhne iſt von dieſer Hoͤhe, natuͤrlicher<lb/> Weiſe, noch weiter entfernt: und ich fuͤrchte<lb/> ſehr, daß die Deutſche mehr dieſes als jenes iſt.</p><lb/> <p>Alles kann folglich nicht auf einmal ge-<lb/> ſchehen. Doch was man nicht wachſen ſieht,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0100]
Erwartungen getaͤuſcht werden, auch ein we-
nig mit ſich ſelbſt zu Rathe gehe, von wel-
cher Art ſeine Erwartungen geweſen. Nicht
jeder Liebhaber iſt Kenner; nicht jeder, der die
Schoͤnheiten Eines Stuͤcks, das richtige Spiel
Eines Akteurs empfindet, kann darum auch
den Werth aller andern ſchaͤtzen. Man hat
keinen Geſchmack, wenn man nur einen ein-
ſeitigen Geſchmack hat; aber oft iſt man de-
ſto partheiiſcher. Der wahre Geſchmack iſt
der allgemeine, der ſich uͤber Schoͤnheiten von
jeder Art verbreitet, aber von keiner mehr
Vergnuͤgen und Entzuͤcken erwartet, als ſie
nach ihrer Art gewaͤhren kann.
Der Stufen ſind viel, die eine werden-
de Buͤhne bis zum Gipfel der Vollkommen-
heit zu durchſteigen hat; aber eine verderb-
te Buͤhne iſt von dieſer Hoͤhe, natuͤrlicher
Weiſe, noch weiter entfernt: und ich fuͤrchte
ſehr, daß die Deutſche mehr dieſes als jenes iſt.
Alles kann folglich nicht auf einmal ge-
ſchehen. Doch was man nicht wachſen ſieht,
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