Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

so künstlich und schön, wie in keiner an-
dern Sprache ausgebildet worden; der offne
Mund der Griechen, die Poesie die ihm
vorging und der öffentliche Redevortrag,
der den Rhapsodieen der Poesie folgte,
hatten ihn geformet.

Bei den Römern nicht anders: denn
auch bei ihnen herrschte die Beredsam-
keit, und der öffentliche Vortrag.
Ihre Gedichte lasen sie öffentlich vor; aus
Persius, Juvenal, Plinius u. a.
wissen wir, mit welcher Sorgfalt, mit wel-
chem Aufwande von Kunst, zuletzt von
Ziererei und Thorheit.

Bei Griechen und Römern war das
Bücherwesen anders wie bei uns be-
stellt. Man las viel weniger: große Bi-
bliotheken waren selten und die Bücher-
materialien kostbar. Man schrieb also auch
weniger. In Rom schrieb nicht jeder Sklave

ſo kuͤnſtlich und ſchoͤn, wie in keiner an-
dern Sprache ausgebildet worden; der offne
Mund der Griechen, die Poeſie die ihm
vorging und der oͤffentliche Redevortrag,
der den Rhapſodieen der Poeſie folgte,
hatten ihn geformet.

Bei den Roͤmern nicht anders: denn
auch bei ihnen herrſchte die Beredſam-
keit, und der oͤffentliche Vortrag.
Ihre Gedichte laſen ſie oͤffentlich vor; aus
Perſius, Juvenal, Plinius u. a.
wiſſen wir, mit welcher Sorgfalt, mit wel-
chem Aufwande von Kunſt, zuletzt von
Ziererei und Thorheit.

Bei Griechen und Roͤmern war das
Buͤcherweſen anders wie bei uns be-
ſtellt. Man las viel weniger: große Bi-
bliotheken waren ſelten und die Buͤcher-
materialien koſtbar. Man ſchrieb alſo auch
weniger. In Rom ſchrieb nicht jeder Sklave

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="44"/>
&#x017F;o ku&#x0364;n&#x017F;tlich und &#x017F;cho&#x0364;n, wie in keiner an-<lb/>
dern Sprache ausgebildet worden; der offne<lb/>
Mund der Griechen, die Poe&#x017F;ie die ihm<lb/>
vorging und der o&#x0364;ffentliche <hi rendition="#g">Redevortrag</hi>,<lb/>
der den Rhap&#x017F;odieen der Poe&#x017F;ie folgte,<lb/>
hatten ihn geformet.</p><lb/>
        <p>Bei den Ro&#x0364;mern nicht anders: denn<lb/>
auch bei ihnen herr&#x017F;chte die <hi rendition="#g">Bered&#x017F;am</hi>-<lb/><hi rendition="#g">keit</hi>, und der <hi rendition="#g">o&#x0364;ffentliche Vortrag</hi>.<lb/>
Ihre Gedichte la&#x017F;en &#x017F;ie o&#x0364;ffentlich vor; aus<lb/><hi rendition="#g">Per&#x017F;ius</hi>, <hi rendition="#g">Juvenal</hi>, <hi rendition="#g">Plinius</hi> u. a.<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en wir, mit welcher Sorgfalt, mit wel-<lb/>
chem Aufwande von Kun&#x017F;t, zuletzt von<lb/>
Ziererei und Thorheit.</p><lb/>
        <p>Bei Griechen und Ro&#x0364;mern war das<lb/><hi rendition="#g">Bu&#x0364;cherwe&#x017F;en</hi> anders wie bei uns be-<lb/>
&#x017F;tellt. Man las viel weniger: große Bi-<lb/>
bliotheken waren &#x017F;elten und die Bu&#x0364;cher-<lb/>
materialien ko&#x017F;tbar. Man &#x017F;chrieb al&#x017F;o auch<lb/>
weniger. In Rom &#x017F;chrieb nicht jeder Sklave<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0063] ſo kuͤnſtlich und ſchoͤn, wie in keiner an- dern Sprache ausgebildet worden; der offne Mund der Griechen, die Poeſie die ihm vorging und der oͤffentliche Redevortrag, der den Rhapſodieen der Poeſie folgte, hatten ihn geformet. Bei den Roͤmern nicht anders: denn auch bei ihnen herrſchte die Beredſam- keit, und der oͤffentliche Vortrag. Ihre Gedichte laſen ſie oͤffentlich vor; aus Perſius, Juvenal, Plinius u. a. wiſſen wir, mit welcher Sorgfalt, mit wel- chem Aufwande von Kunſt, zuletzt von Ziererei und Thorheit. Bei Griechen und Roͤmern war das Buͤcherweſen anders wie bei uns be- ſtellt. Man las viel weniger: große Bi- bliotheken waren ſelten und die Buͤcher- materialien koſtbar. Man ſchrieb alſo auch weniger. In Rom ſchrieb nicht jeder Sklave

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/63
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/63>, abgerufen am 23.11.2024.