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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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durch soll sich unser Geschmack, unsre
Schreibart bilden? wodurch unsre Spra-
che bestimmen und regeln, als durch die
besten Schriftsteller unsrer Nation? Ja wo-
durch sollen wir Patriotismus und Liebe
zu unserm Vaterlande erlangen, als durch
seine Sprache, durch die vortreflichsten Ge-
danken und Empfindungen, die in ihr aus-
gedrückt, die wie ein Schatz in sie gelegt
sind. Gewiß irrten wir nicht nach einem
Jahrtausend, in dem unsre Sprache ge-
schrieben ist, in manchen Wortfügungen
noch jetzt zweifelnd umher, wenn wir von
Jugend auf unsre besten Schriftsteller kenn-
ten und sie uns zu Führern wählten.

Indessen soll keine Liebe zu unsrer Na-
tion uns hindern, allenthalben das
Gute zu erkennen, das nur im großen
Gange der Zeiten und Völker fort
-
schreitend bewirkt werden konnte. Je-

Achte Samml. M

durch ſoll ſich unſer Geſchmack, unſre
Schreibart bilden? wodurch unſre Spra-
che beſtimmen und regeln, als durch die
beſten Schriftſteller unſrer Nation? Ja wo-
durch ſollen wir Patriotismus und Liebe
zu unſerm Vaterlande erlangen, als durch
ſeine Sprache, durch die vortreflichſten Ge-
danken und Empfindungen, die in ihr aus-
gedruͤckt, die wie ein Schatz in ſie gelegt
ſind. Gewiß irrten wir nicht nach einem
Jahrtauſend, in dem unſre Sprache ge-
ſchrieben iſt, in manchen Wortfuͤgungen
noch jetzt zweifelnd umher, wenn wir von
Jugend auf unſre beſten Schriftſteller kenn-
ten und ſie uns zu Fuͤhrern waͤhlten.

Indeſſen ſoll keine Liebe zu unſrer Na-
tion uns hindern, allenthalben das
Gute zu erkennen, das nur im großen
Gange der Zeiten und Voͤlker fort
-
ſchreitend bewirkt werden konnte. Je-

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[177/0196] durch ſoll ſich unſer Geſchmack, unſre Schreibart bilden? wodurch unſre Spra- che beſtimmen und regeln, als durch die beſten Schriftſteller unſrer Nation? Ja wo- durch ſollen wir Patriotismus und Liebe zu unſerm Vaterlande erlangen, als durch ſeine Sprache, durch die vortreflichſten Ge- danken und Empfindungen, die in ihr aus- gedruͤckt, die wie ein Schatz in ſie gelegt ſind. Gewiß irrten wir nicht nach einem Jahrtauſend, in dem unſre Sprache ge- ſchrieben iſt, in manchen Wortfuͤgungen noch jetzt zweifelnd umher, wenn wir von Jugend auf unſre beſten Schriftſteller kenn- ten und ſie uns zu Fuͤhrern waͤhlten. Indeſſen ſoll keine Liebe zu unſrer Na- tion uns hindern, allenthalben das Gute zu erkennen, das nur im großen Gange der Zeiten und Voͤlker fort- ſchreitend bewirkt werden konnte. Je- Achte Samml. M

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/196>, abgerufen am 06.05.2024.