Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

selbst zu vernachläßigen. Zwar einem
Young, (denn von Shakespeare, Mil-
ton, Thomson, Fielding, Goldsmith,
Sterne ist hier nicht die Rede) gönne
ich seine vielleicht etwas überspannte Ver-
ehrung bei uns gern, da er durch Eberts
Uebersetzung eingeführt ward; eine Ueber-
setzung, die nicht nur alles Verdienst eines
Originals hat, sondern auch die Uebertrei-
bungen ihres Englischen Originals durch
den Bau einer harmonischen Prose und
durch die reichen moralischen Anmerkungen
aus andern Nationen gleichsam zurecht fü-
get und mildert. Sonst aber wird es den
Deutschen immer den Vorwurf einer unent-
schlossenen Lauigkeit zuziehn, daß die rein-
sten Dichter ihrer Sprache in Schulen und
bei Erziehung der Jugend überhaupt so
vergessen und hintangesetzt werden, wie
keine benachbarte Nation es thut. Wo-

durch

ſelbſt zu vernachlaͤßigen. Zwar einem
Young, (denn von Shakeſpeare, Mil-
ton, Thomſon, Fielding, Goldſmith,
Sterne iſt hier nicht die Rede) goͤnne
ich ſeine vielleicht etwas uͤberſpannte Ver-
ehrung bei uns gern, da er durch Eberts
Ueberſetzung eingefuͤhrt ward; eine Ueber-
ſetzung, die nicht nur alles Verdienſt eines
Originals hat, ſondern auch die Uebertrei-
bungen ihres Engliſchen Originals durch
den Bau einer harmoniſchen Proſe und
durch die reichen moraliſchen Anmerkungen
aus andern Nationen gleichſam zurecht fuͤ-
get und mildert. Sonſt aber wird es den
Deutſchen immer den Vorwurf einer unent-
ſchloſſenen Lauigkeit zuziehn, daß die rein-
ſten Dichter ihrer Sprache in Schulen und
bei Erziehung der Jugend uͤberhaupt ſo
vergeſſen und hintangeſetzt werden, wie
keine benachbarte Nation es thut. Wo-

durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="176"/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu vernachla&#x0364;ßigen. Zwar einem<lb/><hi rendition="#g">Young</hi>, (denn von <hi rendition="#g">Shake&#x017F;peare</hi>, <hi rendition="#g">Mil</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ton</hi>, <hi rendition="#g">Thom&#x017F;on</hi>, <hi rendition="#g">Fielding</hi>, <hi rendition="#g">Gold&#x017F;mith</hi>,<lb/><hi rendition="#g">Sterne</hi> i&#x017F;t hier nicht die Rede) go&#x0364;nne<lb/>
ich &#x017F;eine vielleicht etwas u&#x0364;ber&#x017F;pannte Ver-<lb/>
ehrung bei uns gern, da er durch <hi rendition="#g">Eberts</hi><lb/>
Ueber&#x017F;etzung eingefu&#x0364;hrt ward; eine Ueber-<lb/>
&#x017F;etzung, die nicht nur alles Verdien&#x017F;t eines<lb/>
Originals hat, &#x017F;ondern auch die Uebertrei-<lb/>
bungen ihres Engli&#x017F;chen Originals durch<lb/>
den Bau einer harmoni&#x017F;chen Pro&#x017F;e und<lb/>
durch die reichen morali&#x017F;chen Anmerkungen<lb/>
aus andern Nationen gleich&#x017F;am zurecht fu&#x0364;-<lb/>
get und mildert. Son&#x017F;t aber wird es den<lb/>
Deut&#x017F;chen immer den Vorwurf einer unent-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Lauigkeit zuziehn, daß die rein-<lb/>
&#x017F;ten Dichter ihrer Sprache in Schulen und<lb/>
bei Erziehung der Jugend u&#x0364;berhaupt &#x017F;o<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en und hintange&#x017F;etzt werden, wie<lb/>
keine benachbarte Nation es thut. Wo-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0195] ſelbſt zu vernachlaͤßigen. Zwar einem Young, (denn von Shakeſpeare, Mil- ton, Thomſon, Fielding, Goldſmith, Sterne iſt hier nicht die Rede) goͤnne ich ſeine vielleicht etwas uͤberſpannte Ver- ehrung bei uns gern, da er durch Eberts Ueberſetzung eingefuͤhrt ward; eine Ueber- ſetzung, die nicht nur alles Verdienſt eines Originals hat, ſondern auch die Uebertrei- bungen ihres Engliſchen Originals durch den Bau einer harmoniſchen Proſe und durch die reichen moraliſchen Anmerkungen aus andern Nationen gleichſam zurecht fuͤ- get und mildert. Sonſt aber wird es den Deutſchen immer den Vorwurf einer unent- ſchloſſenen Lauigkeit zuziehn, daß die rein- ſten Dichter ihrer Sprache in Schulen und bei Erziehung der Jugend uͤberhaupt ſo vergeſſen und hintangeſetzt werden, wie keine benachbarte Nation es thut. Wo- durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/195
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/195>, abgerufen am 05.05.2024.