Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.verschiedener Dichter. Geübt in der Spra- verſchiedener Dichter. Geuͤbt in der Spra- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="88"/> verſchiedener Dichter. Geuͤbt in der Spra-<lb/> che der Roͤmer, durchdrungen von der<lb/> Schoͤnheit der Natur, deren Pflanzen und<lb/> Baͤume er mit liebendem Fleiß beſang;<lb/> noch mehr durchdrungen von der prakti-<lb/> ſchen Philoſophie der Alten (wovon ſeine<lb/> ſchoͤnen Verſuche in Verſen und Proſe zei-<lb/> gen,) hatte er dennoch das Ungluͤck, mit<lb/> ſeiner ſogenannten Pindariſchen Ode ein<lb/> glaͤnzend boͤſes Beiſpiel aufzuſtellen, dem<lb/> man nur zu oft nachgefolgt iſt. <hi rendition="#g">Pindar</hi><lb/> naͤmlich in ſeiner Ode iſt nie trunken;<lb/> jedes Bild, jede mythologiſche Geſchichte,<lb/> ja jeder Spruch in ihm ſtehet umſchrieben<lb/> da, und der ganze Gang des Geſanges<lb/> iſt weiſe geordnet. Der boͤſe Geſchmack,<lb/> der zu <hi rendition="#g">Cowley</hi>'s Zeiten, inſonderheit<lb/> an Hofe herrſchte, verfuͤhrte ihn, ſowohl<lb/> in ſeinen Anakreontiſchen als Pindariſchen<lb/> Oden ſtatt des Ausdrucks der Empfindung<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0107]
verſchiedener Dichter. Geuͤbt in der Spra-
che der Roͤmer, durchdrungen von der
Schoͤnheit der Natur, deren Pflanzen und
Baͤume er mit liebendem Fleiß beſang;
noch mehr durchdrungen von der prakti-
ſchen Philoſophie der Alten (wovon ſeine
ſchoͤnen Verſuche in Verſen und Proſe zei-
gen,) hatte er dennoch das Ungluͤck, mit
ſeiner ſogenannten Pindariſchen Ode ein
glaͤnzend boͤſes Beiſpiel aufzuſtellen, dem
man nur zu oft nachgefolgt iſt. Pindar
naͤmlich in ſeiner Ode iſt nie trunken;
jedes Bild, jede mythologiſche Geſchichte,
ja jeder Spruch in ihm ſtehet umſchrieben
da, und der ganze Gang des Geſanges
iſt weiſe geordnet. Der boͤſe Geſchmack,
der zu Cowley's Zeiten, inſonderheit
an Hofe herrſchte, verfuͤhrte ihn, ſowohl
in ſeinen Anakreontiſchen als Pindariſchen
Oden ſtatt des Ausdrucks der Empfindung
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