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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

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zuförderst jener christlichen Herzens-
güte den Weg, die als carita die Grazie
der Grazien ist, und jede Huldigung ver-
dienet. Die Poesie des Mittelalters wirkte
zu diesem Zweck unverkennbar.

Aus den Händen der Araber hatten
die Europäer Andacht, Liebe und Ta-
pferkeit, als einen Kranz der Ritter-
würde empfangen; sie verschönten ihn nach
christlicher Weise.

Und da gerade diese Poesie es war,
die auch das Volk nicht verachtete, die
sich auf öffentlichen Plätzen und Märkten
hören ließ und durch Geist, Witz und Spott
eigene Gedanken und ein freies Urtheil
auch über Zeithändel, über die Sitten
geistlicher und weltlicher Stände, über das
Verhältniß derselben gegen einander weckte:
so ward, wie die Geschichte zeigt, Poesie
der erste Reformator. Immerhin wird

dies

zufoͤrderſt jener chriſtlichen Herzens-
guͤte den Weg, die als carità die Grazie
der Grazien iſt, und jede Huldigung ver-
dienet. Die Poeſie des Mittelalters wirkte
zu dieſem Zweck unverkennbar.

Aus den Haͤnden der Araber hatten
die Europaͤer Andacht, Liebe und Ta-
pferkeit, als einen Kranz der Ritter-
wuͤrde empfangen; ſie verſchoͤnten ihn nach
chriſtlicher Weiſe.

Und da gerade dieſe Poeſie es war,
die auch das Volk nicht verachtete, die
ſich auf oͤffentlichen Plaͤtzen und Maͤrkten
hoͤren ließ und durch Geiſt, Witz und Spott
eigene Gedanken und ein freies Urtheil
auch uͤber Zeithaͤndel, uͤber die Sitten
geiſtlicher und weltlicher Staͤnde, uͤber das
Verhaͤltniß derſelben gegen einander weckte:
ſo ward, wie die Geſchichte zeigt, Poeſie
der erſte Reformator. Immerhin wird

dies
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[160/0177] zufoͤrderſt jener chriſtlichen Herzens- guͤte den Weg, die als carità die Grazie der Grazien iſt, und jede Huldigung ver- dienet. Die Poeſie des Mittelalters wirkte zu dieſem Zweck unverkennbar. Aus den Haͤnden der Araber hatten die Europaͤer Andacht, Liebe und Ta- pferkeit, als einen Kranz der Ritter- wuͤrde empfangen; ſie verſchoͤnten ihn nach chriſtlicher Weiſe. Und da gerade dieſe Poeſie es war, die auch das Volk nicht verachtete, die ſich auf oͤffentlichen Plaͤtzen und Maͤrkten hoͤren ließ und durch Geiſt, Witz und Spott eigene Gedanken und ein freies Urtheil auch uͤber Zeithaͤndel, uͤber die Sitten geiſtlicher und weltlicher Staͤnde, uͤber das Verhaͤltniß derſelben gegen einander weckte: ſo ward, wie die Geſchichte zeigt, Poeſie der erſte Reformator. Immerhin wird dies

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/177>, abgerufen am 21.11.2024.