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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

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das Inventarium der Botanik worden,
schätzet man seine nach Naturkennzeichen
gegebne Thierclassen hoch; sollte es nicht
auch Menschenclassen nach Natur-
eigenschaften geben? und wären diese,
auf die reinsten Begriffe gebracht und in
unzerstörbaren Formen dargestellt, nicht al-
ler Betrachtung werth? Daß die Griechen
den Menschen mit einem unbefangeneren,
schärfern Blick angesehen haben, als wir,
wird niemand läugnen; daß unsre Tempe-
raments- und physiognomische Eintheilun-
gen zu Nichts sicherm führen, muß jeder-
mann klar einsehn; warum liegen uns
denn jene von Meistern erfundene scharfe
und große Formen der Unterschei-
dung so weit ab? Warum sonst, als,
weil wir sie nicht verstehen, oder zu ge-
brauchen nicht vermögen. Wir fühlen,
daß der edelste Saame, unter uns aufkei-

das Inventarium der Botanik worden,
ſchaͤtzet man ſeine nach Naturkennzeichen
gegebne Thierclaſſen hoch; ſollte es nicht
auch Menſchenclaſſen nach Natur-
eigenſchaften geben? und waͤren dieſe,
auf die reinſten Begriffe gebracht und in
unzerſtoͤrbaren Formen dargeſtellt, nicht al-
ler Betrachtung werth? Daß die Griechen
den Menſchen mit einem unbefangeneren,
ſchaͤrfern Blick angeſehen haben, als wir,
wird niemand laͤugnen; daß unſre Tempe-
raments- und phyſiognomiſche Eintheilun-
gen zu Nichts ſicherm fuͤhren, muß jeder-
mann klar einſehn; warum liegen uns
denn jene von Meiſtern erfundene ſcharfe
und große Formen der Unterſchei-
dung ſo weit ab? Warum ſonſt, als,
weil wir ſie nicht verſtehen, oder zu ge-
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[44/0059] das Inventarium der Botanik worden, ſchaͤtzet man ſeine nach Naturkennzeichen gegebne Thierclaſſen hoch; ſollte es nicht auch Menſchenclaſſen nach Natur- eigenſchaften geben? und waͤren dieſe, auf die reinſten Begriffe gebracht und in unzerſtoͤrbaren Formen dargeſtellt, nicht al- ler Betrachtung werth? Daß die Griechen den Menſchen mit einem unbefangeneren, ſchaͤrfern Blick angeſehen haben, als wir, wird niemand laͤugnen; daß unſre Tempe- raments- und phyſiognomiſche Eintheilun- gen zu Nichts ſicherm fuͤhren, muß jeder- mann klar einſehn; warum liegen uns denn jene von Meiſtern erfundene ſcharfe und große Formen der Unterſchei- dung ſo weit ab? Warum ſonſt, als, weil wir ſie nicht verſtehen, oder zu ge- brauchen nicht vermoͤgen. Wir fuͤhlen, daß der edelſte Saame, unter uns aufkei-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/59>, abgerufen am 22.11.2024.