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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

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hauptet sie ihren Namen, und übt ihre
Kraft auf menschliche Gemüther und Or-
gane. Wie das heilige Wort Güte und
Schönheit
(kalon k'agathon) vom Pöbel
gemißbraucht werde, darf und muß uns
nicht irren: denn wer legte uns die ver-
wirrte Sprache des Pöbels zum Gesetz
auf? Es giebt aber keine häßliche Wahr-
heit, so wenig es ein häßlich Gutes ge-
ben kann: dem Erkennenden sowohl als
dem Ausübenden sind beide von der höch-
sten Schönheit.

Lassen Sie uns z. B. bei der Moral
bleiben. Ihr Grund liegt im Verstande
und Herzen des Menschen; im Wesentli-
chen ist er auch von allen Völkern aner-
kannt; die Griechen aber haben ihren höch-
sten Grundsatz der Sprache nach schön
ausgebildet. So verschieden ihre Philoso-
phen sich ausdrückten; so war ihnen allen

G 2

hauptet ſie ihren Namen, und uͤbt ihre
Kraft auf menſchliche Gemuͤther und Or-
gane. Wie das heilige Wort Guͤte und
Schoͤnheit
(ϰαλον ϰ'αγαϑον) vom Poͤbel
gemißbraucht werde, darf und muß uns
nicht irren: denn wer legte uns die ver-
wirrte Sprache des Poͤbels zum Geſetz
auf? Es giebt aber keine haͤßliche Wahr-
heit, ſo wenig es ein haͤßlich Gutes ge-
ben kann: dem Erkennenden ſowohl als
dem Ausuͤbenden ſind beide von der hoͤch-
ſten Schoͤnheit.

Laſſen Sie uns z. B. bei der Moral
bleiben. Ihr Grund liegt im Verſtande
und Herzen des Menſchen; im Weſentli-
chen iſt er auch von allen Voͤlkern aner-
kannt; die Griechen aber haben ihren hoͤch-
ſten Grundſatz der Sprache nach ſchoͤn
ausgebildet. So verſchieden ihre Philoſo-
phen ſich ausdruͤckten; ſo war ihnen allen

G 2
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[99/0114] hauptet ſie ihren Namen, und uͤbt ihre Kraft auf menſchliche Gemuͤther und Or- gane. Wie das heilige Wort Guͤte und Schoͤnheit (ϰαλον ϰ'αγαϑον) vom Poͤbel gemißbraucht werde, darf und muß uns nicht irren: denn wer legte uns die ver- wirrte Sprache des Poͤbels zum Geſetz auf? Es giebt aber keine haͤßliche Wahr- heit, ſo wenig es ein haͤßlich Gutes ge- ben kann: dem Erkennenden ſowohl als dem Ausuͤbenden ſind beide von der hoͤch- ſten Schoͤnheit. Laſſen Sie uns z. B. bei der Moral bleiben. Ihr Grund liegt im Verſtande und Herzen des Menſchen; im Weſentli- chen iſt er auch von allen Voͤlkern aner- kannt; die Griechen aber haben ihren hoͤch- ſten Grundſatz der Sprache nach ſchoͤn ausgebildet. So verſchieden ihre Philoſo- phen ſich ausdruͤckten; ſo war ihnen allen G 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/114>, abgerufen am 21.11.2024.