Ausdrucks unsrer Gedanken ganz an ih- rem Ort bleiben; ich rede nicht von Grund- sätzen, die als Grundsätze freilich nicht dargestellt werden können; sondern von Gegenständen und Sachen, von der Natur unser selbst und der Dinge, die uns umgeben. Jede Wahrheit, die aus diesen abgezogen ward, muß auf sie zurückgeführt werden können, und eine Menschenmoral kann sich nicht anders als in menschlichen Gesinnungen, Neigungen, Handlungen äußern. Mithin hat alles Form und Weise; eine Form, die er- kannt, eine Weise, die sichtbar gemacht werden kann und muß.
Und diese Form des Wahren und Guten (verzeihen Sie meine Unphiloso- phie,) ist Schönheit. Je reiner sie er- scheint, je lebendiger in ihr Erkenntniß und Güte ausgedrückt sind, desto mehr be-
Ausdrucks unſrer Gedanken ganz an ih- rem Ort bleiben; ich rede nicht von Grund- ſaͤtzen, die als Grundſaͤtze freilich nicht dargeſtellt werden koͤnnen; ſondern von Gegenſtaͤnden und Sachen, von der Natur unſer ſelbſt und der Dinge, die uns umgeben. Jede Wahrheit, die aus dieſen abgezogen ward, muß auf ſie zuruͤckgefuͤhrt werden koͤnnen, und eine Menſchenmoral kann ſich nicht anders als in menſchlichen Geſinnungen, Neigungen, Handlungen aͤußern. Mithin hat alles Form und Weiſe; eine Form, die er- kannt, eine Weiſe, die ſichtbar gemacht werden kann und muß.
Und dieſe Form des Wahren und Guten (verzeihen Sie meine Unphiloſo- phie,) iſt Schoͤnheit. Je reiner ſie er- ſcheint, je lebendiger in ihr Erkenntniß und Guͤte ausgedruͤckt ſind, deſto mehr be-
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Ausdrucks unſrer Gedanken ganz an ih-
rem Ort bleiben; ich rede nicht von Grund-
ſaͤtzen, die als Grundſaͤtze freilich nicht
dargeſtellt werden koͤnnen; ſondern von
Gegenſtaͤnden und Sachen, von der
Natur unſer ſelbſt und der Dinge,
die uns umgeben. Jede Wahrheit,
die aus dieſen abgezogen ward, muß auf
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Menſchenmoral kann ſich nicht anders als
in menſchlichen Geſinnungen, Neigungen,
Handlungen aͤußern. Mithin hat alles
Form und Weiſe; eine Form, die er-
kannt, eine Weiſe, die ſichtbar gemacht
werden kann und muß.
Und dieſe Form des Wahren und
Guten (verzeihen Sie meine Unphiloſo-
phie,) iſt Schoͤnheit. Je reiner ſie er-
ſcheint, je lebendiger in ihr Erkenntniß
und Guͤte ausgedruͤckt ſind, deſto mehr be-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/113>, abgerufen am 16.02.2025.
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