lichen Ideals sittlicher Humanität zerstreuet dalagen, und bildete seine Ma- donna daraus, die irrdische und himmli- sche Laura. Diese zeigte er in Wirkung auf sich, auf sein eigen Herz, und zwar in mancherlei Umständen, in Wirkung auf seine Schwachheiten sowohl als auf die ed- lere Seite seines Gemüths; hiedurch allein ward sie anziehend und belehrend. Denn eine Schönheit, die keine Liebe erregt, eine Liebe, die nur Bewunderung ist, und ohne Kampf mit sich, ohne Fehler und Schwach- heiten seufzet, sind ohne Reiz und Anwen- dung. Von allem Sittlich-Schönen im weiblichen Charakter pflückte Petrarca die Blüthe, und wand seiner irrdischen Freun- din, die er vielleicht nur hie und da in seiner Jugend gesehen haben mag, die ei- nes andern Mannes Weib und Mutter von Kindern war, die diese Gedichte viel-
lichen Ideals ſittlicher Humanitaͤt zerſtreuet dalagen, und bildete ſeine Ma- donna daraus, die irrdiſche und himmli- ſche Laura. Dieſe zeigte er in Wirkung auf ſich, auf ſein eigen Herz, und zwar in mancherlei Umſtaͤnden, in Wirkung auf ſeine Schwachheiten ſowohl als auf die ed- lere Seite ſeines Gemuͤths; hiedurch allein ward ſie anziehend und belehrend. Denn eine Schoͤnheit, die keine Liebe erregt, eine Liebe, die nur Bewunderung iſt, und ohne Kampf mit ſich, ohne Fehler und Schwach- heiten ſeufzet, ſind ohne Reiz und Anwen- dung. Von allem Sittlich-Schoͤnen im weiblichen Charakter pfluͤckte Petrarca die Bluͤthe, und wand ſeiner irrdiſchen Freun- din, die er vielleicht nur hie und da in ſeiner Jugend geſehen haben mag, die ei- nes andern Mannes Weib und Mutter von Kindern war, die dieſe Gedichte viel-
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lichen Ideals ſittlicher Humanitaͤt
zerſtreuet dalagen, und bildete ſeine Ma-
donna daraus, die irrdiſche und himmli-
ſche Laura. Dieſe zeigte er in Wirkung
auf ſich, auf ſein eigen Herz, und zwar
in mancherlei Umſtaͤnden, in Wirkung auf
ſeine Schwachheiten ſowohl als auf die ed-
lere Seite ſeines Gemuͤths; hiedurch allein
ward ſie anziehend und belehrend. Denn
eine Schoͤnheit, die keine Liebe erregt, eine
Liebe, die nur Bewunderung iſt, und ohne
Kampf mit ſich, ohne Fehler und Schwach-
heiten ſeufzet, ſind ohne Reiz und Anwen-
dung. Von allem Sittlich-Schoͤnen im
weiblichen Charakter pfluͤckte Petrarca die
Bluͤthe, und wand ſeiner irrdiſchen Freun-
din, die er vielleicht nur hie und da in
ſeiner Jugend geſehen haben mag, die ei-
nes andern Mannes Weib und Mutter
von Kindern war, die dieſe Gedichte viel-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/33>, abgerufen am 16.02.2025.
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