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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

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seiner Werke; auch unter uns darf sich
kein Stand einer Schrift, wenn sie gut
ist, schämen; dem höchsten, wie dem nie-
drigsten Stande sollte Anonymie nicht er-
laubt seyn, und überhaupt dieselbe für
das was sie ist, für Hinterlist,
Schimpf, niedriges Gewerbe und
Feigheit gelten. Wer zum Publicum
spricht, spreche als ein Theil des Publi-
cums, also öffentlich, mit seinem Namen.

Noch ein viel Mehrers wäre über das
Verhältniß des Schriftstellers zum Publi-
cum zu reden. Jede Gattung der Scri-
benten schreibt für ihre Gattung Leser,
die sie ihr Publicum, ihre Welt nennen.
Aus frölichen oder traurigen Erfahrun-
gen, welche Schriften am meisten gele-
sen werden, kann man also auf den Ge-
schmack, auf das Maas der Bildung
des Publicums schliessen, dem diese Schrif-

ſeiner Werke; auch unter uns darf ſich
kein Stand einer Schrift, wenn ſie gut
iſt, ſchaͤmen; dem hoͤchſten, wie dem nie-
drigſten Stande ſollte Anonymie nicht er-
laubt ſeyn, und uͤberhaupt dieſelbe fuͤr
das was ſie iſt, fuͤr Hinterliſt,
Schimpf, niedriges Gewerbe und
Feigheit gelten. Wer zum Publicum
ſpricht, ſpreche als ein Theil des Publi-
cums, alſo oͤffentlich, mit ſeinem Namen.

Noch ein viel Mehrers waͤre uͤber das
Verhaͤltniß des Schriftſtellers zum Publi-
cum zu reden. Jede Gattung der Scri-
benten ſchreibt fuͤr ihre Gattung Leſer,
die ſie ihr Publicum, ihre Welt nennen.
Aus froͤlichen oder traurigen Erfahrun-
gen, welche Schriften am meiſten gele-
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[117/0132] ſeiner Werke; auch unter uns darf ſich kein Stand einer Schrift, wenn ſie gut iſt, ſchaͤmen; dem hoͤchſten, wie dem nie- drigſten Stande ſollte Anonymie nicht er- laubt ſeyn, und uͤberhaupt dieſelbe fuͤr das was ſie iſt, fuͤr Hinterliſt, Schimpf, niedriges Gewerbe und Feigheit gelten. Wer zum Publicum ſpricht, ſpreche als ein Theil des Publi- cums, alſo oͤffentlich, mit ſeinem Namen. Noch ein viel Mehrers waͤre uͤber das Verhaͤltniß des Schriftſtellers zum Publi- cum zu reden. Jede Gattung der Scri- benten ſchreibt fuͤr ihre Gattung Leſer, die ſie ihr Publicum, ihre Welt nennen. Aus froͤlichen oder traurigen Erfahrun- gen, welche Schriften am meiſten gele- ſen werden, kann man alſo auf den Ge- ſchmack, auf das Maas der Bildung des Publicums ſchlieſſen, dem dieſe Schrif-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/132>, abgerufen am 22.11.2024.