Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794.Uebersteigen die Stralen die meinigen. Wäre Also sang vom schwankenden Ast weißagend der Vogel, Und der Nordwind verstummte; es nahten sich lindernde Weste. Aber es schwebt' in der Höh' mit ausgesprei- teten Rudern, Und mit gierigem Aug' ein Geyer, dürstend nach Blute. Dieser ersah den lieblichen Sänger, und stürzt von der Höhe, I 4
Ueberſteigen die Stralen die meinigen. Waͤre Alſo ſang vom ſchwankenden Aſt weißagend der Vogel, Und der Nordwind verſtummte; es nahten ſich lindernde Weſte. Aber es ſchwebt' in der Hoͤh' mit ausgeſprei- teten Rudern, Und mit gierigem Aug' ein Geyer, duͤrſtend nach Blute. Dieſer erſah den lieblichen Saͤnger, und ſtuͤrzt von der Hoͤhe, I 4
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Ueberſteigen die Stralen die meinigen. Waͤre
zur Blume
Sie des Haines geſchaffen, kein Bluͤmchen
glich ihr an Reize,
Keines an himmliſchem Glanz noch Duft. Sie
ſenket ihr Auge
Nieder vom nackten Gipfel der hocherhabenen
Ulme
Auf das veroͤdete Land, und in ſich erſterben
die Stralen.“
Alſo ſang vom ſchwankenden Aſt weißagend
der Vogel,
Und der Nordwind verſtummte; es nahten ſich
lindernde Weſte.
Aber es ſchwebt' in der Hoͤh' mit ausgeſprei-
teten Rudern,
Und mit gierigem Aug' ein Geyer, duͤrſtend
nach Blute.
Dieſer erſah den lieblichen Saͤnger, und ſtuͤrzt
von der Hoͤhe,
I 4
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Zitationshilfe: | Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/140>, abgerufen am 16.02.2025. |