Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.Th. Und was die Güte betrift, sagen Ph. Ich glaube, das letzte ist das Th. O Philokles! Bedenken Sie also, Th. Und was die Guͤte betrift, ſagen Ph. Ich glaube, das letzte iſt das Th. O Philokles! Bedenken Sie alſo, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0067" n="58"/> <p>Th. Und was die Guͤte betrift, ſagen<lb/> Sie mir, mein Freund, ſollen wir denn<lb/> blos denen Gutes thun, die es verdienen?<lb/> Etwa bloß einem <hi rendition="#g">guten</hi> Nachbar oder<lb/> Verwandten, einem <hi rendition="#g">guten</hi> Vater, Kinde<lb/> oder Bruder? Oder lehrt Natur, Ver-<lb/> nunft und Menſchlichkeit uns nicht viel-<lb/> mehr, einem Vater bloß weil er Vater,<lb/> einem Kinde bloß weil es Kind iſt, Gutes<lb/> zu thun? Und ſo in jedem Verhaͤltniß des<lb/> menſchlichen Lebens.</p><lb/> <p>Ph. Ich glaube, das letzte iſt das<lb/> richtigſte.</p><lb/> <p>Th. O Philokles! Bedenken Sie alſo,<lb/> was Sie ſagten, da Sie die Liebe gegen<lb/> das menſchliche Geſchlecht der menſchlichen<lb/> Gebrechen wegen verwarfen, und den gro-<lb/> ßen Haufen ſeines elenden Zuſtandes we-<lb/> gen verachteten. Sehen Sie nun, ob dieſe<lb/> Geſinnung mit der Menſchlichkeit beſtehen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0067]
Th. Und was die Guͤte betrift, ſagen
Sie mir, mein Freund, ſollen wir denn
blos denen Gutes thun, die es verdienen?
Etwa bloß einem guten Nachbar oder
Verwandten, einem guten Vater, Kinde
oder Bruder? Oder lehrt Natur, Ver-
nunft und Menſchlichkeit uns nicht viel-
mehr, einem Vater bloß weil er Vater,
einem Kinde bloß weil es Kind iſt, Gutes
zu thun? Und ſo in jedem Verhaͤltniß des
menſchlichen Lebens.
Ph. Ich glaube, das letzte iſt das
richtigſte.
Th. O Philokles! Bedenken Sie alſo,
was Sie ſagten, da Sie die Liebe gegen
das menſchliche Geſchlecht der menſchlichen
Gebrechen wegen verwarfen, und den gro-
ßen Haufen ſeines elenden Zuſtandes we-
gen verachteten. Sehen Sie nun, ob dieſe
Geſinnung mit der Menſchlichkeit beſtehen
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